Ruhe in Frieden – oder: brauchen wir ein Arschloch?
Wir sind – bis auf vereinzelte Rufer im Winde – wohl der ruhigste Abstiegskandidat aller Zeiten. Kritik am Trainer, Präsident oder Management wischen wir eloquent mit Verweis auf die letzten beiden Jahre weg, verweisen auf die – ja auch durchaus respektablen – Statistiken der Spieltage, die guten Ansätze im Spiel, die respektablen UEFA-Cup-Ergebnisse, die unglückliche Chancenverwertung (die man sich ja auch erarbeiten muss) und nicht zuletzt die Verkettung von Umständen, insbesondere mit Verweis auf die zahllosen Verletzungen und deren Nachwirkungen.
Eine himmlische Ruhe nahezu, manche – wie im Kommentar des Users rujani – sehen darin fast schon eine Art Grabesruhe. »Ruhe im Frieden«, FCN? Wir sehen uns im anderen Leben, der 2. Liga, wieder?
Doch nicht nur außerhalb der Mannschaft herrscht nahezu himmlischer Friede. Auch in der Mannschaft sei es so harmonisch wie in einer Chorgruppe. Dass der Mannschaft (ausgenommen ausgerechnet vielleicht Engelhardt) die Querköpfe fehlen, wurde schon öfter mal in Nebensätzen gemunkelt, zuletzt wohl auch von Misimovic.
Als dann noch Polak ging, der noch am ehesten ins Profil des impulsiven Reizgebers fungieren hätte können, blieb eine Mannschaft zurück, die man getrost unter dem Label “Schwiegermutters Lieblinge” einsortieren könnte. Vielleicht mit Abstrichen bei Saenko, der eher manchmal trotzig und launisch wie in der Pupertät wirkt, irgendwo zwischen Genie und “Null Bock”, oder mit anderen Vorzeichen ein Galasek, den manche schon (im positiven Sinne) wie den Mannschaftsführer einer Zechen-Mannschaft im Ruhrpott beschrieb, der auf seine alten Tage noch einmal die ßrmel hochkrämpelt und über den Platz ackert und den Jungschen dabei zeigt, was Einsatz ist. Aber einer der Reize setzt (nicht taktischer oder spielerischer, sondern emotionaler Natur), das ist er nicht. Ein Arbeiter, der als taktischer Leader (zu Recht) zum Kapitän gemacht wurde, allerdings nicht den Eindruck erweckt durch durchschlagende Autorität mal Akzente zu setzen.
Die Frage ist doch: Braucht eine moderne Mannschaft ein Arschloch? Braucht der Club ein Arschloch?
Vorweg: Im Fussball ist ein “Arschloch” in dem Sinne nicht per se negativ belegt. Ein Arschloch ist einer, der mal dazwischen haut, der einfach so egoistisch und ehrgeizig ist, dass er allen guten Anstand am Platz mal außer Acht lässt und den Fön einschaltet, wenn es nicht läuft und andere seiner Mannschaft anschreit, dass die Haare zurückfliegen. So einer, bei dem Mitspieler und Gegner Angst haben, wenn es ans verlieren geht, weil er dann zur Wildsau wird (cineastische Anspielung auf den Monty Python Film ‘Erik, der Wikinger’). Ich würde diese Eigenschaft Spielern wie Kahn zuschreiben, auch Lehmann bisweilen, einem Roy Keane, eine Erik Cantona, einem Stefan Effenberg und auch einem Lothar Matthäus. In dieser Eigenschaft durchaus sich bewusst, wie ich meine, dass sie mit reinem Egoismus eben nichts ausrichten können und die Mannschaft zum Erreichen ihres Zieles brauchen, und gerade das macht sie dann so aggressiv auch zu den Mitspielern. Eine Art von Energie, die man nicht mögen muss, die aber unstreitig einen motivierenden Effekt hat – auch wenn Kollateralschäden nach dem Spiel nicht auszuschließen sind.
Bei der Nürnberger Mannschaft sehe ich keinen solchen Spieler, bleibt aber die Frage, ob man einen solchen Spieler braucht. Ich meine Nein, auch wenn man ihn sich manchmal wünscht. Nein, weil eine moderne Mannschaft so derart rotiert und variiert, dass man einen solchen Leadertypen, außer auf der Torwartposition, kaum installieren kann, ohne die Mannschaft als Gefüge zu riskieren. Denn solche Typen sind eben auch nicht die, die sich mit Bank- oder Tribünenplätzen anfreunden oder viel Geduld mit sich und dem Trainer haben, nach einer Verletzung. Willy Sagnol bemüht sich aktuell bei den Bayern um ein solches Image und tut damit sich und der Mannschaft sicher keinen Gefallen (was uns Recht sein soll…).
Und wie stehts mit den potentiellen Neuzugängen aus? Ist da so ein Arschloch im Anflug?
Nürnberg steht ja (zumindest bei mir) immer im Verdacht gerade die Spieler als Neuzugänge zu handeln, die (zumindest bei mir) für ein spontanes “oh je” gut sind. Also das jetzt nicht immer und zuletzt auch erfreulich selten, aber doch immer mal wieder. Hans-Jörg Criens damals z.B., oder ein Paolo Rink, oder einst ein Knut Reinhardt bei dem alle dachten “au weia, Ex-Nationalspieler, der bei Dortmund quasi ausgemustert wurde”, oder aktuell auch ein Harry Charisteas, der leider viel zu nett rüberkommt, und man ihn daher nicht wirklich verreissen kann – aber er bestätigt halt doch das, was alle vorher irgendwie dachten: ungelenk, wenig Torgefahr, technische Mängel, viel zu brav. Mag er auch erfreulicherweise – worauf uns Herr Poschmann hinwiess – an 5 der letzten 9 Tore beteiligt sein, als Sturmführer wird er nicht mehr in die Analen eingehen. Zu passiv und eben zufällig wirkt sein Spiel, zu wenig Biss und Entschlossenheit. Muss ja kein Typ Van Nistelroy sein, aber auch ein Rudi Völler war so ein Kämpfertyp, oder auch der Schrothi, der war zwar auch nicht torgefährlicher, aber der warf sich überall rein mit allem was er hatte. Unvergessen auch der Eckes, der auch kein ßberflieger war, aber der immer wollte, auch wenn er mal nicht konnte. Bei so einem verzeiht man viel leichter.
Aber nun steht der nächste Kandidat dieser “oh je”-Gilde im Fokus – aber was heisst schon einer?! Erst hießen die Kandidaten Hashemian, von vielen als “One-Hit-Wonder” verschrien, oder ein Stajner. Alles Namen, die einen das Blut in den Fanadern gefrieren lassen und man inständig hofft, dass das alles eben nur ein Gerücht ist oder die sportliche Führung vielleicht doch viel mehr Ahnung hat als der Rest der Fan-Fussballwelt. Aber nun wird ein weiterer Name aus der Riege gehandelt, und das im Pressespiegel des VfB Stuttgart direkt, also nicht in den einschlägigen Gerücht-produzierenden Medien: Danijel Ljuboja
Ein Genie oder ein Wahnsinniger? Als er aus Frankreich zu Stuttgart kam galt er als kleine Sensation. Und spielerisch ist er sicher auch ein echter Torjäger, aber wer erst bei Stuttgart (nach Medienberichten wie hier und viele andere Quellen) wegen plötzlich aufkommender neuer Gehaltswünsche quasi seinen Rauswurf provozierte und dann nach Hamburg wechselt, sich es dort mit dem Trainer verscherzt (wohl wegen eines verpassten Termins), dann nach Stuttgart zurückkehrt und – aussortiert – lieber nur noch mit der Reserve mittrainiert und Angebote ausschlägt (alles ohne Gewähr, so liest man das eben), der hat kein gutes Image. Mag er noch so sehr auf geläutert plädieren, ein sog. “Söldnerimage” (wenn das Gehalt wichtiger ist als der Verein) kriegt man schwer wieder los. Das ist dann auch – um in der Terminologie zu bleiben, kein “Arschloch” im Fussballer Sinne, mag er diese (wenn man so will) positive Eigenschaft auch sonst auf dem Platz manchmal haben. Um als Arschloch Respekt zu haben am Platz, musst du ganz klar in Vereinsbettwäsche schlafen und dir das Wappen auf den Oberarm tätowieren wollen. Dann kauft man dir den “Wahnsinn” nämlich erst als mannschaftsdienlich ab.
Wie man liest wird aber wohl auch ein Ljuboja nicht werden. Und auch kein Cuevas. Ich las von Bader der die Fitness Cuevas bezweifelte (wenn denn das Zitat mit dem “nur Fitness wie ein Breitensportler” von ihm stammt…) und auch Namen wie Ljuboja eine Absage erteilte. Eher zu erwarten seien die Favoriten auf der Liste der sportlichen Leitung, und deren Namen seien vielen hierzulande unbekannt. Klingt doch fast wieder nach einer Verstärkung der Balkan-Mannschaft, wie ich hier mir oft im Frankfurter Exil anhören darf. Ob ein Arschloch dabei sein wird? Ich denke nicht und die Forderung so einen zu holen ist auch eigentlich unrealistisch. Wie schon gesagt: Dazu musst du schon sportlich unumstritten sein und mit dem Verein verheiratet. Sowas wächst zusammen, aber sowas gibt es nicht im Winterschlußverkauf am Transfermarkt.
Hmm..also ich finde, die Unruhe, die die Medien teilweise von aussen einbringen, reicht schon. Muss ja nicht noch sein, dass es innerhalb des Teams zur Unruhe kommt. Ich definiere ein Fussball-Arschloch allerdings etwas anders: Das ist keiner, der in Teambettwäsche schläft sondern, wenn überhaupt, dann in Bettwäsche die sein alleiniges Abbild ziert. Fussball-Arschlöcher sind für mich Einzelgänger, die, wenn’s schief läuft, nicht die Schuld bei sich, sondern bei den Anderen suchen. Aber das ist sicher Ansichtssache.