Es gibt keine Trickser mehr…
Ich stehe am samstagabendlichen Tresen und nippe an meinem Pils. Neben mir sitzt Hannes. Hannes der Optimist. Er nimmt einen tiefen Schluck aus seinem Weizenbierglas, wischt sich mit dem Unterarm den Schaum vom Mund, die Ärmel seines großkarierten Holzfällerhemds sind nach oben gekrempelt.„Natürlich ist das morgen keine leichte Sache“, sagt er, „Leverkusen ist gut drauf zurzeit, aber warum soll dem Club nicht eine Sensation gelingen, Cottbus hat’s doch heute vorgemacht, du wirst sehen, das wird der Spieltag der Sensationen.“ Mit wissendem Ton sagt er das, so wie jemand, der weiß, wie es in der Welt zugeht, eben etwas sagt. Selbstzufrieden, als wäre in dieser Saison bislang alles nach Plan verlaufen, sitzt er da, man sieht ihm an, wie sehr er sich auf die Partie in Leverkusen freut.
„Was deine Prognosen wert sind, hat man ja am letzten Sonntag gesehen“, sage ich leicht genervt, „von wegen mit Klewer im Tor gewinnen sie.“
„Woher soll ich denn wissen, dass der der, wie heißt der, der letztes Jahr noch in Bochum gespielt hat…?“ „Misimovic“, wirft der Mann hinter dem Tresen ein. „…dass der Misimovic den Elfmeter nicht reinmacht?“
„Möglicherweise hat es Misimovic ja irritiert, dass er so frei zum Schuss gekommen ist“, sage ich.
Als ich am Glas nippe, spüre ich eine Hand auf meiner Schulter. Das kann nur Alfred sein, denke ich bei mir, kein Samstagabend ohne Alfred, klar, dass der noch auftaucht, Alfred der Schnorrer. „Die sen doch bleed die Bayern“, höre ich ihn lamentieren, „die sen doch bleed, verliern die in Cottbus, jetz hods mir mein Oddset zerhaun, bloß weecha die bleedn Bayern hods mir mein Oddset zerhaun, die annern Spiele hobi alle richdich gedibbd, aber die bleeden Bayern… horch Michael, kannst du mir a Zigareddn geem, hosd aane für mich?“
Ich fische eine Blend 29 aus der Schachtel und gebe sie ihm. Alfred steckt die Zigarette in den Mund, kramt in den Taschen seiner zerbeulten Cordhose und angelt eine Streichholzschachtel heraus und der Mann hinter dem Tresen sagt: „Nicht hier Alfred, nicht hier, wie oft soll ich dir noch sagen, dass hier drinnen nicht mehr geraucht wird.“
„Kumm Michael, mir gehn naus aane raachn, raachsd ned aane mid?“
„Wenn’s sein muss“, sage ich und gehe zur Garderobe, um meinen Mantel zu holen.
Draußen lehnt Alfred schon an einem der runden Stehtische, über denen Sonnenschirme aufgespannt sind. In seiner braunen Kunstlederjacke steht er da, den Reißverschluss offen, freie Sicht auf seinen Bauch, über dem sich der abgetragene Pullover spannt, als würde Alfred darunter einen Fußball mit sich herumtragen. „Es gibt kaane Driggser mehr“, sagt er und atmet den Rauch tief ein, „sooch Michael, kennst du noch an richtign Driggser?“
„Ribery“, sage ich, „der hat schon gute Tricks drauf, leider hat man heute in Cottbus nicht allzu viel davon gesehen.“
„Der Libuda“, sagt Alfred, „des wor halt nuch a Driggser und der Club hod aa an ghabd doomols, wie se Maasder gworn sen, Volkert hod der ghaasn, Schorsch Volkert, der hod se aa aufm Bierdeggl ausgschbilld, und später hods aa nuch an geem, der wor aa ned schlecht, bei Köln hod der gschbilld, so a glaaner mid am franzesischn Vornooma…“
„Littbarski“, sage ich, „Pierre Littbarski.“
„…genau, Littbarski hod der ghaasn, der hod se aa schwindlich gschbilld und schnell is der gweesn, midm Boll am Fuß sauschnell, auf die erschdn zehn, fuchzehn Meter sauschnell im Ondridd, bis der Abwehrspieler gschaud hod, hod er na nächsdn scho gschwandsd ghabd, na nächsdn scho gschwandsd… horch Michael, hosd nuch aane für mich, gibst ma nuch aane mit aufm Hamweech?“
Ich halte ihm noch eine hin, Alfred nimmt sie und steckt sie sich hinters Ohr. „Bloß weecha die bleedn Bayern hods ma heid mein Oddset zerhaun“, grummelt er zum Abschied, dann macht er sich auf seinen Heimweg, der wahrscheinlich nicht nach Hause, sondern in die nächste Kneipe führt. Nach ein paar Schritten dreht er sich um und ruft mir zu: „Der Saenko, des is aa a Driggser, der hods aa drauf, ober der missad hald amol widder wos zeing, wär wichtig fürn Club, wenn der amol widder wos zeing deed.“
Ich rauche die Zigarette zu Ende. Tja, denke ich, als ich die Kippe im Aschenbecher ausdrücke, wird wirklich Zeit, dass der Saenko mal wieder ein richtig gutes Spiel macht, gleich morgen in Leverkusen sollte Saenko mal wieder was zeigen…
Als ich wieder bei meinem Bier ankomme, höre ich, wie Hannes zum Mann hinter dem Tresen sagt: „Hab’ für morgen echt ein gutes Gefühl, ihr werdet sehen, der Koller schießt den Club morgen zum Sieg, ich spür’s, das ist das Wochenende der Sensationen.“
„Wenn du das sagst, wird’s wohl so sein“, sage ich von der Seite und nippe skeptisch an meinem Bier.
Schön wär’s schon, wenn es so käme, und auch bitter notwendig, denke ich bei mir, der Koller ist zwar nicht wirklich ein Trickser, aber ist ja egal, wer die Tore macht, gerade jetzt ist das völlig egal. Der Vittek könnte eigentlich auch mal eins schießen, aber dazu müsste er sein Visier besser einstellen, als das gegen den HSV der Fall war… Vittek, Koller, Saenko, im Prinzip eine Sturmreihe zum Zungeschnalzen… Ich hole einen Kugelschreiber aus der Innentasche meiner Jacke und schreibe die Namen auf die Rückseite des Bierdeckels. Hannes, der mir dabei zusieht, sagt: „Kennst du einen Bundesligisten, der so einen Sturm hat? Mit solchen Leuten im Sturm steigt man unmöglich ab, der Club kann gar nicht absteigen.“
„Tja, wirklich ein prima Sturm“, sage ich, „der Papierform nach auf alle Fälle.“
„Und dahinter noch der, der gegen den HSV den Elfer vergeigt hat“, höre ich Hannes sagen, „der, der letztes Jahr noch in Bochum…“ „Misimovic“ „…genau, Misimovic, der ist richtig stark am Ball, hat gute Tricks drauf…“
„Ein Trickser halt“, sage ich vor mich hin und nehme einen Schluck aus dem Glas.
Und ganz allmählich spüre ich, dass ich auch an diesem Samstagabend noch beginnen werde, zu träumen…
Ich wünsch’ uns allen, dass wir bald mal von Dir Begebenheiten, die von ekstasischen Jubelabenden handeln, zu lesen bekommen.
sehr schön geschrieben herr belschanov. kompliment.
i glaub die spieln gega den michael adolf roth un net gega an gechner aus an anderm verein.
dass der lichtenfelser kiessling den sack heut zu gmacht hat passt a dazu.
roth geh ham und dann gehts wieder aufwaerts…
gruss