Vom Übel des Erfolgs
Ein Kommentar zur Entlassung erfolgreicher Trainer am Beispiel ‘Armin Veh’ – und was das mit dem Club zu tun hat
Man soll den Derby-Sieg ruhig noch bisschen genießen … noch ein bisschen … noch bisschen … nun ist aber wieder genug. Denn am Freitag hat der Club Osnabrück vor der Nase und denen steht auf Platz 15 nach 6 sieglosen Spielen das Wasser bis zum Hals. Und dass der Club gerade gegen die “kleinen” Gegner besondere Probleme hat, zeigte nicht zuletzt Frankfurt (das ist gerade mal 1 1/2 Wochen her und es fühlt sich schon an wie Historie), Wehen-Wiesbaden oder Koblenz.
Und doch gibt gerade eine ganz andere News, die seit gestern durch die Sportredaktionen jagt, Grund einmal kurz inne zu halten und Revue passieren zu lassen: Armin Veh wurde beim VfB Stuttgart am Wochenende entlassen. Zeit also für die Fortsetzung der ‘beliebten’ Rubrik: Wir ziehen Parallelen. Heute: VfB Stuttgart.
Mit Armin Veh hat nach nun nicht mal gespielten 1 1/2 Saisons sich auch der Meistertrainer verabschiedet, der Trainer, der beinahe das Double geholt hätte, hätte da ein gewisser Club aus Nürnberg das Transparent seiner Fans “Wenn wir schon mal in Berlin sind, nehmen wir den Pokal halt mit” nicht zu ernst genommen und in einem auch für neutrale Beobachter intensiven und begeisternden Match dem da bereits gekürten Meister aus Stuttgart den Pokal entrissen. Beide Mannschaften spielten zu diesem Zeitpunkt über ihrem eigenen Zenit, das war eigentlich allen klar, und dennoch blühten die Hoffnungen auf eine goldene Zukunft an Neckar und Pegnitz.
Auch wenn man kein Freund von sportlichen Parallelen ist: Die Geschichte hätte man dann doch fast mit vertauschten Vereinsnamen veröffentlichen können, die Markus Lotter in der Berliner Zeitung kommentiert: »Fahrstuhl durch das Mittelmaß« (im Folgenden ist dies die Quelle der Zitate) – nur dass der Club sich mit Mittelmaß nicht zufrieden geben wollte und kurzzeitig bis Nahe der Abstiegsränge in Liga 2 durchkrachte.
Wie aus einem Munde kam zudem die Einschätzung, dass die überraschende Meisterschaft vor eineinhalb Jahren zwar ein großes Glück, aber auch letztlich eine große Bürde gewesen wäre. Man leide gemeinsam unter der ins Abnorme gestiegenen Erwartungshaltung im Ländle.
Zu große Erwartungshaltung, die man zwar nicht vergaß gebetsmühlenartig zu relativieren, die sich aber nicht in den Griff bekommen lassen. Auch beim VfB ließen sich die Medienvertreter und “Fachexperten” nicht nehmen, im letzten Jahr den VfB als Meisterkandidat vor der Saison zu handeln – frei nach dem Motto: wer würde auch einen frisch gebackenen Meister dieses Prädikat absprechen wollen? Dabei lag die Realität eigentlich ebenso auf der Hand wie beim Club aus Nürnberg: Weder war der VfB in der Lage das Geschäft Champions League mit zu stemmen, wie der Club den UEFA-Cup, noch fällt es einen in den Schoß einen Erfolg zu wiederholen, gerade wenn dieser sich am Ende aus einer Mischung aus perfekter Saison, überdurchschnittlicher Form einzelner, moderater Verletzungsprobleme und im richtigigen Moment das Glück des Tüchtigen zusammensetzte.
Kaum jemand, der im Anschluss an die ekstatischen Feierlichkeiten die wahre Größe des Klubs sehen wollte, der mit seinen finanziellen und damit auch personellen Möglichkeiten an sich doch noch immer im vorderen Mittelfeld der Liga zu verorten sei, und eben nicht an der Seite des FC Bayern München oder des SV Werder Bremen. Heldt sprach sogar vom “Übel der frühen Meisterschaft”, mit dem Veh und er zu leben hätten.
Die Fähigkeit auf dem Boden zu bleiben und sich selbst richtig einzustufen, das ist eine der ganz großen Tugenden, gerade im Erfolg. Doch Fußball ist eben nicht rational und macht weder vor den Fans, noch vor den Verantwortlichen und erst Recht nicht vor den Spielern Halt. Neuverpflichtungen werden getätigt, die entweder keine Verstärkung sind oder wenn doch – was fast noch schlimmer wiegt – sie die Struktur der erfolgreichen Mannschaft in Frage stellen. Spieler werden abgegeben, weil sie durch die guten Leistungen in den Fokus anderer Mannschaften rückten oder durch wilde Spekulationen verrückt gemacht. Raphael Schäfer wechselte so aufgrund seiner guten Leistungen gerade vom Club zu Stuttgart – eine Geschichte, die vorgenanntes vielleicht unterstreicht.
Mit der Entlassung des Cheftrainers gesteht der VfB Stuttgart ein, dass er wie schon so oft – manch einer sagt aus Tradition – die Chance des unerwarteten Erfolgs nicht für sich nutzen konnte. […] Wieder einmal folgte auf den Jubel der Fall und eben nicht eine Phase des kontinuierlichen Wachstums. Wieder einmal scheint eine Generation hoffnungsvoller Nachwuchsspieler weitgehend verloren, wieder einmal hat man offensichtlich jede Menge Geld auf dem Transfermarkt verschwendet. Und einen Übungsleiter verbraucht. So bleibt der VfB Stuttgart eben eine Fahrstuhlmannschaft. Eine Mannschaft, die zwischen Spitze und Mittelfeld pendelt, aber auch schon einmal in die Nähe der Abstiegsränge geraten kann, wenn ein paar Stammkräfte verletzungsbedingt ausfallen.
Stände da – mit Abstrichen – nicht “VfB Stuttgart” sondern “1. FC Nürnberg”, man hätte etwas relativiert um die Ziele den Unterschied fast nicht bemerkt. Auch der Club hatte plötzlich seine Nationalspieler, einen Wolf, der in die deutsche Nati sollte, einen Pino für die argentinische und die geballte Offensivkraft der Slowakei. Mit Charisteas wurde richtig mal Geld in die Hand genommen (für Club-Verhältnisse) und – auch wenn ablösefrei – im Gehaltsbereich neue Dimensionen erreicht.
Als Hans Meyer seine Sachen packen musste, war Armin Veh mit seinem VfB ungefähr so weit entfernt vom Saisonziel wie der FCN. Gerade zu Hause gegen die Hertha verloren, stand man auf einem tristen 10. Platz, weit weg von den internationalen Startplätzen und Lichtjahre weg von einer Titelverteidigung. Der VfB hielt an Veh fest und schaffte am Ende noch Platz 6 und damit zumindest das Minimalziel UEFA-Cup-Teilnahme – nicht wenige hätten das dem Club, also dessen Minimalziel “Nicht-Abstieg”, auch mit Hans Meyer zugetraut, war das rettende Uder doch gerade mal 2 Punkte entfernt.
Vielleicht zeigt aber auch gerade das Beispiel, dass die Trainerentlassung, die nun doch noch stattfand beim VfB, wenn auch mit großer Verzögerung (der Club verschliss in der Zwischenzeit gleich noch einen weiteren Trainer), dass es weder an den Spielern noch an den Trainern liegt, vielleicht liegt es eher an der Schere zwischen Anspruch und Wirklichkeit der Vereine und ihrem Umfeld. Wenn konsequent anders gedacht wird, als dass es die Realität hergeben würde, ist der Nährboden für konstante Unzufriedenheit gegeben – inklusive überzogener Euphorie, wenn es mal paar Spiele besser läuft. Andere Mannschaften haben das bereits bitter erkennen müssen, wie Kaiserslautern, andere haben es wohl nun erkannt wie Eintracht Frankfurt (allerdings dort nur in der Vereinsführung) und manche werden es wohl nie wahr haben wollen, wie vielleicht der 1. FC Köln. Der Weg nach oben führt weder über einmalige Erfolge noch über Transfermarkt-Risiken oder -Einmal-Schnäppchen. Der Weg nach oben ist hart, steinig und verdammt teuer. Und bevor man sich umsieht hat man das gerade noch erhaltene Füllhorn des Glücks schon ausgetrunken und freudig investiert, da ist auch schon alles versickert. Und da ist der kleine Unterschied zu den “Großen” – die holen dann einfach ein neues volles Füllhorn vom Festgeldkonto und greifen wieder an und korrigieren ihre Fehler, wir lecken da schon unsere Wunden.
Vielleicht ist das das Los, das man eben zu tragen hat, gerade als Fan eines solchen Vereins, dass es eben manchmal für ein Wunder reicht, der Alltag aber eine Mühe und manchmal Qual ist. Das ist aber zumindest schon mal mehr als viele andere Vereine, die vielleicht nie aufsteigen, nie ein Pokalendspiel spielen werden und erst Recht nie ein solches gewinnen werden oder den Meistertitel schaffen. Aber mit dem Griff nach den Trauben, die einem in dieser luftigen Höhe fast schon vor der Nase hängen, lehnt sich so mancher immer noch ein bisschen weiter von seiner Leiter in Richtung der Früchte – bis zum Fall.
Keine zwei Jahre hielt der Respekt und die Anerkennung der Übungsleiter, die diese Wunder am Ende Realität werden ließen. Was will uns das sagen? Dass die Vereine glauben, der Trainer, der einst die Erfolge einfuhr, stünde dem jetzt im Wege? Oder hätte man nicht besser diese Erkenntnis daraus ziehen sollen: Wir haben Trainer, die in der Lage sind mit (im Vergleich) mittelmäßigem Potenzial herausragendes zu erreichen. Wie viele Trainer gibt es, die überhaupt je Titel geholt haben? Wie viele davon mit Underdogs, Außenseitern? Ich glaube, ich hätte mich in beiden Fällen anders entschieden. Ich hätte mir gedacht: Ich habe hier einen Trainer, der ein Star ist, einer, der eigentlich deutlich über dem Level des Gesamt-Clubs sich einsortiert. Den muss ich halten! Dem muss ich ein Umfeld bieten, mit dem er nun weitermachen kann.
Aber dazu gehört eben auch die Einsicht “womit” weitermachen.
Beim VfB träumte man von der Etablierung in der Spitze der Liga, in Nürnberg vom gesicherten Mittelfeld. Die Wahrheit wäre wohl gewesen, dass Stuttgart sich im Mittelfeld hätte einsortieren sollen, sich konsolidieren und auf der Lauer liegen für eine erneute Sensation, wenn wieder einmal alles zusammenpasst. Und beim Club aus Nürnberg hätte man nicht nach einstelligen Tabellenplätzen schielen sollen, sondern nach Sicherung nach hinten. Vielleicht ist das auch des ganzen Übels Wurzel. Statt Spieler zu verpflichten, die das gefühlte “bisschen nach oben” hätten füllen sollten, wo man sich ja schon so weit wähnte, hätte man Spieler mit der Absicherung nach hinten und Stabilisierung der Realität gebraucht – Spieler mit Kampfkraft, Leidenschaft und Biss.
Der Kommentar bei der Berliner Zeitung schließt mit einem Seitenhieb, der aber gerade für mich dann die Kurve nicht bekommt:
Viel Zeit bleibt dem VfB jedenfalls nicht mehr, denn ganz in der Nähe, in Hoffenheim, aber auch an anderen Bundesligastandorten wird mittlerweile viel klüger Fußball gemacht als in Stuttgart.
Hoffenheim spielt tollen Fußball, erfolgreichen Fußball. Und der Erfolg ist nicht nur auf Geld aufgesetzt sondern auf einem Konzept. Aber dennoch: Hoffenheim hat noch nichts erreicht und Hoffenheim hatte noch nie Erfolg, auf dem die bunten Träume blühen. Hoffenheim hat kein hysterisches Umfeld, Hoffenheim ist einfach nur der Underdog, dem man aufgrund des gespielten feinen Balles außerhalb der Ultra-Szenen sogar die Hopp-Millionen verzeiht (was im Übrigen eh ein Schmarrn ist, weil gesponsored sind sie alle, die da oben mitspielen). Der Vergleich hinkt, denn Hoffenheim hat nicht das Problem, das Vereine wie Stuttgart, Kaiserslautern, Köln, Frankfurt und auch der Club haben: eine erfolgreiche Vergangenheit …
Sehr vernünftige und richtige Gedanken äusserst Du da – leider sind Vernunft und Bescheidenheit im Erfolg nicht gern gesehen…sie vermiesen die Freude, denn sie erinnern daran, dass es auch noch einen Morgen danach geben wird an dem sich womöglich ein übler Kater einstellen könnte…
Schön wäre es aber, wenn so mancher Clubfan langsam mal wieder aus seiner “ich bin trotzig, ich bin motzig”-Laune herauskäme und wieder mehr Gelassenheit gegenüber den Schwankungen des Clublebens entwickeln würde. Schade wie so mancher Held von gestern (Mintal, Pinola) mittlerweile zum Prügelknaben geworden ist – das ist nicht meine Philosophie!
Aber vielleicht wird ja jetzt alles gut…
Zum Thema Hoffenheim:
Die Anmerkung “gesponsert sind sie ja eh alle die da oben mitspielen” sehe ich vom Grundsatz her ganz anders:
Die anderen die “da oben mitspielen” werden gesponsert, weil sie eine lange und hart erarbeitete Tradition haben, dessen Image der Sponsor auf seine Marke transferieren will.
Hoffenheim hätte im Leben keiner in dieser Dimension gesponsert. Lässt man das Phänomen Hoffenheim zu, müsste man es auch anderen Mäzenen und Vereinen zugestehen. Die Folge könnte sein, dass irgendwann 14 “Hoffenheims”, die Bayern, Schalke, Dortmund und Bremen in Liga1 spielen, und der traditionsreiche Rest in Liga2.
Von daher: ich habe höchsten Respekt vor der guten Arbeit, die in Hoffenheim von Spielern wie Funktionären geleistet wird, das “Phänomen” an sich finde ich absolut nicht legitim.
Zu meinem eigenen Kommentar noch zwei Anmerkungen:
1. ansonsten mal wieder ein hervorragender Artikel, vielen Dank dafür
2. tut mir leid dass ich aus den vielen Zeilen zu einem ganz anderen Thema ausgerechnet so eine Anmerkung herauspicke – das Thema Hoffenheim wühlt mich emotional einfach zu sehr auf
@ Stephan … drüben bei Spreeblick (siehe Pressespiegel) geht die Hoffenheim-Diskussion ja stärker fokussiert weiter, ich hab da aber so meine Probleme mit dem Feind-Bild.
Ganz klar: Ich bin absolut für das 50+1-Prinzip! Aber leider ist das in vielen Vereinen doch faktisch für die Katz – man verpackt es nur anders, aber wer zahlt bestimmt halt (mit).
Ich würde sogar – ginge es nach mir – weit mehr wieder gegensteuern und die ganze Vermarktungs- und Lizenzvergabe- und Sponsoring-Kacke nach hinten fahren. Die ganze Spirale geht doch nicht zu besseren Spielern, das geht nur in einer Preistreiberei nach oben. 100 Mio. für Cristiano Ronaldo? 40 Mio. für Berbatov? Kein Mensch ist diese Summe wert, wenn man einen Wert in einer Summe festmachen kann. Langes Thema …
In München hieß eben der Sponsor “Freistaat Bayern” – so einfach ist das. Wenn man was dagegen machen wollte, müßte man den Menschen und seinen Ehrgeiz (nicht: sportlichen Ehrgeiz) abschaffen.
@Alexander:
Ja, da wir sind wir uns dann doch absolut einig. Die Menschen sind halt wie sie sind, wo ein Regelwerk ist, ist immer auch ein Schlupfloch.
Und jetzt: lass uns nicht weiter über Hoffenheim diskutieren, dies täte Deinem kompetenten wie ausführlichen Artikel Unrecht.
Eigentlich geht es ja um unseren Club und vermeintliche Parallelen VfB 😉
Bitte an alle nachfolgenden Kommentatoren: schießt Euch nicht auf das Thema Hoffenheim, dann hätte ich Alexander gegenüber ein schlechtes Gewissen!
Dass der Pokalsieg und der gute Tabellenplatz in 2007 mit die Ursache des “Übels” der darauffolgenden Saison war, ist gut möglich. Einigen Spielern mag “der Erfolg zu Kopf gestiegen sein”. Aber ich (und da spreche ich nur für mich) will das als alleinige Erklärung für den Abstieg nicht gelten lassen. Der den Spielern zu Kopf gestiegene Erfolg mag erklären, dass der Saisonstart so mies war, aber er reicht nicht als Erklärung dafür, dass die Mannschaft über die gesamte Saison hinweg versagte.
Dass die Erwartungshaltung im Verein und im Umfeld unangemessen hoch war, finde ich nicht. Vor der Saison lautete das von Vereinsseite ausgegebene Ziel, möglichst weit weg von den Abstiegsplätzen zu bleiben. Völlig legitim und nicht überzogen, wie ich meine. Spätestens nach den Niederlagen in Bielefeld und Duisburg war dann jedem klar, was manche schon zu einem viel früheren Saisonzeitpunkt erkannt hatten: Es geht nur darum, dass am Ende drei Mannschaften hinter dem Club stehen. Und Klassenerhalt ist ja nun keineswegs ein überzogenes Ziel. Und dass die Fans erwarten, dass die Mannschaft dieses (Minimal-)Ziel bei noch ca. 20 ausstehenden Spielen auch erreicht, ist m.E. keine überzogene Erwartungshaltung.
Sollte die Ursache des Abstiegs tatsächlich darin liegen, dass die Spieler mit der Erwartungshaltung, den 15. Tabellenplatz zu erreichen, nicht zurechtkamen, sollte sich jeder von ihnen überlegen, ob Profifußballer der richtige Beruf für sie ist.
Aber das ist, wie gesagt, meine Meinung.
Und bei uns hieß der finanziell potente Mäzen seinerzeit Michael A. Roth – die Schlagzeilen, wieviel Geld er damals in den Club steckte, sind vor allem in seiner ersten Amtszeit Legion. Und ich kann mich auch noch an das Gefühl der Dankbarkeit in Fankreisen erinnern, wenn mit finanziellen Infusionen – die sich bei diversen Präsidialen allerdings oft genug im Nachhinein als höchst auskömmlich verzinste Kredite entpuppten – der monetär oft genug selbst verschuldet anämische Club wieder mal am Leben erhalten wurde. Also: erstmal vor der eigenen Türe kehren, bevor man mit dem Finger auf andere zeigt. Oder besser noch: nedd zeigen, mussmer auch nedd kehrn. 😉
belschanov … bis zum letzten BuLi-Atemzug hörte man doch unisono, dass man “mit DER Mannschaft” nicht und nimmer da hätte stehen dürfen! Und wenn das mal keine falschen Vorstellungen waren, denn de facto WAR die Mannschaft da und daher befand und befindet man sich vielleicht bis heute im Irrtum, dass die Mannschaft besser gewesen wäre, als sie war. Eine Erwartungshaltung eben an die Mannschaft, die sie offenbar nicht gewachsen war und das auch bewies – sie hielt sich wohl selbst für was besseres, daher fehlten die Mittel, die es gebraucht hätte: Die Annahme des Abstiegskampfes.
Wenn ich sagte: Man hat auch im Verein die Erwartungen zu hoch gesetzt, dann lass ich mich davon nur ungern abbringen: Man hatte nämlich zu hohe Erwartungen, was die Leistungsfähigkeiten der Spieler angeht. Öffentliche (“politische”) Bekundungen hin oder her: Das Umfeld (mich eingeschlossen) sah uns doch schon auf mindestens einstellig!
Korrekt ist, dass man der Wahrheit recht früh ins Auge sah, aber da war der Kader schon zusammengebastelt und es fehlten die Typen, die diesen eingetretenen Fall hätten korrigieren können – eben weil man meinte, der Fall würde nicht mehr eintreten mit DER Mannschaft. Tat er aber, weil DIE Mannschaft DEN Erwartungen nicht gerecht wurde und DEN wirklichen Anforderungen nicht gerecht werden konnte.
Alexander bin mir nicht sicher, ob ich dir in allem zustimmen kann – bis dato kann ich den Abstieg – außer, dass er einer der unnötigsten war, den ich je erlebt habe, immer noch nicht deuten, nüchtern einschätzen.
Denn m. E. verfangen viele “Standard”-Erklärungen, die nicht umsonst “Standard” sind, treffen halt oft genug zu, genau dieses Mal nicht: dass die Mannschaft den Kampf gegen den Abstieg nicht angenommen hätte, scheint mir nämlich eher eine Rationalisierung a a posteriori denn eine Beschreibung dessen zu sein, was damals tatsächlich vor sich ging. Natürlich – und das ist das Tragische daran – hätte man die fehlenden Pünktchen zuhauf holen können, wenn man nicht, wie gegen Hertha, einen Gegner, der sich vor dem Spiel schon mit der Niederlage abgefunden hatte, durch eine Nullleistung erst stark gemacht hätte. ABER: Gerade mangelnden Einsatzwillen konnte man den Spielern eben die meisten Spiele zumindest gerade nicht vorwerfen. Ich war oft im Stadion und musste oft konstatieren: sie haben wirklich alles versucht. Ich bin kein Fachmann für Sportpschologie, aber das Abstiegsjahr und -team, das sähe ich gerne mal dahingehend untersucht. Auch im Lichte der Erkenntnis, dass dieses Jahr beim Club für die meisten Akteure, ob heute noch in Nürnberg oder nicht, ein Knick in der Karriere war, von dem sich die Spieler bis heute noch nicht erholt haben.
@Hörnla:
Da ich direkt angesprochen werde, doch nochmals zu dem leidigen Thema “Mäzenentum”:
Ich habe nichts gegen Mäzene, und noch weniger gegen Sponsoring (u.a. auch deshalb, weil letzteres ein wesentlicher Teil meines Berufes ist).
Der Unterschied zwischen Roth/FCN und Hopp/Hoffenheim ist doch der, dass der FCN als Marke jeden Cent des Herrn Roth wert war (es gibt auch seriöse Institute die so etwas genau berechnen können).
Herr Hopp pumpt aber seit Jahren Geld in eine Marke/Verein, der nur einen Bruchteil davon wert ist. Jetzt wirst Du sagen dass ist halt eine Investition die sich irgendwann rechnet, etc. pp. Kann man auch irgendwie gelten lassen.
Dennoch sehe ich mich weiterhin nicht veranlasst vor der Haustür zu kehren.
@Alexander
Die Mannschaft, mit der der Club in die Saison 07/08 ging, entsprach IM KERN der Mannschaft, die im Kalenderjahr 2006 äußerst erfolgreichen Bundesligafußball spielte. In diesem Jahr spielten möglicherweise einige Spieler über “ihre Verhältnisse”, was auch ein Effekt des Trainerwechsels von Wolf zu Meyer war. Dass sich dieses Niveau nicht dauerhaft aufrechterhalten lassen würde, war dann in der zweilten Hälfte der Rückrunde 06/07 klar erkennbar. D.h. die Mannschaft war nicht so gut, wie es der 6. Tabellenplatz am Ende der Saison suggerierte. Sie war aber auch nicht so schlecht, dass man ihr den Klassenerhalt nicht hätte zutrauen können. Ich bleibe dabei: Diese Mannschaft hätte in der Saison 07/08 die Klasse halten müssen. Der Abstieg ist m. E. darauf zurückzuführen, dass die Spieler – aus welchen Gründen auch immer – die Leistung, die sie hätten bringen können, nicht gebracht haben, und nicht darauf, dass der Kader im Vorfeld falsch zusammengestellt wurde. Die Zusammenstellung des Kaders war zwar nicht optimal (was sich – wie immer – im Nachhinein herausstellte), aber auch nicht so verfehlt, dass die Erwartung, der Club hält die Klasse (nicht mehr, aber auch nicht weniger), überzogen war.
Wäre der Kader wirklich erkennbar bundesligauntauglich zusammengestellt gewesen, hätte doch wohl zumindest einer der Trainer mit Bundesligalizenz Zweifel geäußert, dass der Club die Klasse hält. Zudem müsste man Hans Meyer Vorwürfe machen, bei der Personalplanung fahrlässig gehandelt zu haben.
Die Mannschaft ist dann gegen die Prognose von 18 Bundesligatrainern doch abgestiegen. Kein Fachmann hat mit einem solchen Abgrund des Versagens einer Mannschaft gerechnet, die zwar nicht reif war für einen Platz in der vorderen Tabellenhälfte (was vielleicht mancher Träumer dachte), aber auch nicht so schwach besetzt, dass der Abstieg eine vorhersehbare Notwendigkeit war.
Aber, wie gesagt: Meine Meinung…
P.S.: Im Nachhinein muss man feststellen, dass so manche dann im Verlauf der Saison getroffene Personalentscheidung (dazugeholte Spieler, Trainerfrage) nicht ideal war. Aber im Nachhinein ist man immer schlauer.
Am Ende rätseln wir doch alle, woran es lag, ich mach mich eben immer wieder auf die Suche nach einer Antwort – so wie in dem Artikel auch. Wissen tut es keiner, man kann sich nur eine Meinung bilden und da ist jeder frei.
Für mich kristalliert sich eben das raus:
– Mannschaft optimistisch und mit dem Blick auf die obere Tabellenhälfte zusammengestellt
– Rückschläge und Verletzungen brachten das angestrebte Ziel in weiter Ferne
– Vorhandenes Personal konnte die Verletzungen nicht auffangen (vielleicht weil etwas zu optimistisch an die Fähigkeiten des Kaders und die Flexibilität einzelner geglaubt wurde – Motto: “irgendeiner wird schon auf links hinten funktionieren”)
– Mannschaft war strukturell und in der Veranlagung nicht für Abstiegskampf geeignet, da (siehe oben) optmisitisch mit Blick auf die obere Tabellenhälfte zusammengestellt
Dazu kamen individuelle Fehler (Aufstellungs-Fehler, Transferfehler, Timingfehler, Entlassungsfehler) und am Ende fehlte es an allem.
Ganz ohne Frage: Die Mannschaft hätte nicht absteigen müssen und wenn man
a) einen guten Start gehabt hätte
b) keine solchen Verletzungen gerade auf neuralgischen Punkten
c) bisschen mehr Glück bei den Wintertransfers
und (wenn dann noch nötig)
d) wenn schon Entlassung HM, dann nicht so und nicht zu dem Zeitpunkt
dann wären wir wahrscheinlich heute noch in Liga 1 und spielten fröhlich zwischen Platz 8 und 12. Aber … es kam halt anders und dafür hatte keiner einen Plan B, der funktionierte.
In den üblichen Clubforen musste man leider die Erfahrung machen, dass viele nicht in der Lage sind die letzte Saison und den Abstieg einigermaßen rational und mal frei von Emotionen zu diskutieren. Da lief es immer nur darauf hinaus, dass der Meyer und der von Heesen, der Bader sowieso und auch ARO und erst recht die einzelnen Spieler alle zu dumm zum geradeaus laufen sind und blinde Vollpfosten!
Schön, dass es hier differenzierter und bislang ganz ohne Schuldzuweisungen zugeht.
Mir gehts ähnlich wie Euch – ich kann mir den Abstieg noch immer nicht erklären! Ich weiß nur, dass es immer noch weh tut, weil ich diese Mannschaft für die Schönheit ihres Spiels geliebt habe!
Es gab Phasen, da wurde im Sportteil der FAZ der Vergleich des Nürnberger Spiels zu dem von Arsenal London gezogen – one touch-Kombinationsfussball vom Feinsten hieß es da…
Man konnte stolz und glücklich sein, wurde beneidet und durfte genießen und hatte diese leise Hoffnung auf weitere glückliche Jahre!
Und ganz ehrlich: die letzte Saison hat aus einem überzeugten Atheisten wie mir fast einen Gläubigen gemacht. Ich glaube schon fast, dass es einen Fußballgott gibt und das er sich mit dem Club einfach nur Späßchen erlaubt…soviel Pech und Unglück wie wir es in der letzten Saison hatten…
Aber der Club wird wiederkommen – ob jemals so schön, strahlend und glänzend wage ich aber zu bezweifeln…
…und da werden meine Augen wieder feucht!
Ich frage mich, ob die entscheidenden Leute vor der Abstiegssaison wirklich den Optimismus derart gefühlt haben, wie man es vielleicht heute im Nachhinein sieht. Meyer hat vor der Saison von “einer ganz schweren Saison” gesprochen, Galasek sich sehr bedenklich im “kicker” geäußert usw. Dass man natürlich nicht hergeht und einer Mannschaft, die gegen Ende der Vorsaison schon ein wenig schwächelte, und die auf den vielleicht gar nicht so gerechtfertigten Glauben an die eigene Stärke wie auch auf eine gewisse Faneuphorie angewiesen sein könnte, öffentlich das Selbstvertrauen und den Optimismus austreibt, ist evident, denke ich. Was die Erfahrenen wirklich geglaubt haben, das bleibt, denke ich nach wie vor, im Dunkel.
Andererseits: Die “kicker”-Rangliste vor der Saison: von den zehn besten Mittelfeldspielern der Liga vier glaube ich in Nürnberg. Also zu übertriebenem Pessimismus schien es auch erstmal keine Anlass zu geben.
Wenn ich den Abstieg an einem Ereignis festmachen wollte – und dabei muss ich betonen, dass es ja bis zum Schluss doch noch möglich gewesen wäre, von der Schippe zu springen – aber wenn ich doch das eine Symbol für den ganzen Schlamassel benennen wollte, so kristallisiert sich für mich immer mehr das Rückspiel gegen Lissabonn heraus. Das hat meines Erachtens der Mannschaft das Rückgrat gebrochen. Danach haben sie auch noch gekämpft, vieles versucht, Unglück gehabt und noch ab und an gewonnen – aber ich glaube, dass von da ab in den Köpfen etwas war, dass man sich vor der Saison hatte nicht vorstellen können: der unbewusste Glaube, dass man es auch bei einer komfortablen Führung und gutem Spiel nicht schaffen wird, die Ernte in die Scheuer heimzubringen. Und dass das die einzige Konstante der ganzen Saison sein wird. So erklärt sich für mich auch langsam die eigentlich unerklärliche Nervosität nahe der Panik, die diese vielleicht ab und an zu hoch eingeschätzte, aber am Ende weit unter Wert geschlagene Mannschaft befiel, sobald der Gegner ein Gegentor erzielt hatte. Auch nach Lissabonn war der Abstieg nicht zwangsläufig, doch die Rettung wäre Glück gewesen, denn die Mannschaft war gebrochen. Wäre es gegen Lissabonn anders gelaufen, hätte man die Rettung gegen alle Widrigkeiten erzwungen.
Schon richtig – und auch wieder nicht…die Zahl der kollektiven Nackenschläge war letzte Saison schon enorm und die Serie begann bereits weit vor Lissabon…
Bereits im ersten Saisonspiel gegen den KSC: Heimspiel, haushoher Favorit gegen den Aufsteiger, Riesenchance von Vittek zum 1:0, deutlich bessere Mannschaft mit viel mehr Chancen – KSC mit drei Chancen im ganzen Spiel und das endet 0:2
3. Spieltag: mind. gleichwertig gegen Werder. Dann übersprintet Harnik einmal Reinhardt und man verliert 0:1
4. Spieltag: Spiel in Cottbus in Unterzahl gedreht – denkste…der schwache Schiri erkennt Adlers Tor zu unrecht ab!
7. Spieltag: deutlich überlegen gegen Leverkusen. Ein wieder mal schwacher Schiri übersieht ein klares Handspiel von Rene Adler außerhalb des Strafraums. Letztlich verliert man aufgrund eines halben Eigentors unglücklich mit 1:2
…in diesen Spielen wurde meines Erachtens die Saat des mangelnden Selbstvertrauens gesät, auch wenn noch einige ordentliche Folgen sollten!
Wenn man sich überlegt wieviel Pech der Club vergangene Saison hatte – und wieviel Glück Arminia Bielefeld alleine in den letzten acht Spielen…und dann lagen nur zwei Punkte am Ende zwischen diesen beiden Teams, dann weiß ich jedenfalls wer den Abstieg eher verdient gehabt hätte 😉
Was Alexander (Eintrag 11) sagt, ist alles richtig. Und dennoch reicht es nicht aus, diesen Abstieg zu erklären. Das Tragische ist ja, dass trotz aller Widrigkeiten der Klassenerhalt “auf dem Platz” mehr oder minder “ganz easy” zu schaffen gewesen wäre.
Ich will nur mal das Heimspiel gegen Bielefeld rausgreifen. Da wurde ein 2:0-Vorsprung in den ersten 15 Minuten nach der Pause verspielt – und zwar nicht, weil der Gegner plötzlich so stark war… Hätte man dieses Spiel gewonnen, was ein Leichtes gewesen wäre, wäre Bielefeld und nicht Nürnberg abgestiegen.
Man muss wohl das, was Hörnla sagt, berücksichtigen: Die späten Tore gegen Lissabon waren der endgültige Knacks für die Psyche der Spieler, der das Versagen in entscheidenden Spielsituationen (Kollers Fehlschuss aus drei Metern gegen Bayern München fällt mir gerade ein) zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung machte.
Vielleicht ist das die Erklärung. Aber nur vielleicht…