Frühling lässt sein blaues Band…

Haider – Bittorf, Lieberwirth, Grahammer – Reuter, Geyer, Dorfner, Güttler, Wagner – Stenzel (89. Klaus), Eckstein (68. H.-J. Brunner)

In dieser Besetzung bestritt der 1. FC Nürnberg am 13. April 1985  – es war der achtletzte Spieltag der Zweitligasaison 84/85 – ein Auswärtsspiel in Oberhausen. Der Club verlor diese Partie mit 1:2. Er war in der 62. Minute durch ein Tor von Reiner Geyer in Führung gegangen, musste aber in der 76. Minute den Ausgleich und in der 88. Minute schließlich noch den Siegtreffer für die Rot-Weißen hinnehmen. “Typisch Club” war dabei nicht nur die “Torheit kurz vor Toresschluss”, sondern auch die pikante Tatsache, dass das 2:1 von einem im Zuge der “Oktoberrevolution” suspendierten Ex-Clubberer namens Detlef Krella erzielt wurde.

Durch diese Niederlage rutschte der Club von dem zu den Relegationsspielen berechtigenden dritten Tabellenplatz, den er durch Siege in den beiden vorangegangenen Spielen (Blau-Weiß 90 Berlin – FCN 0:2, FCN – St. Pauli 2:1) erobert hatte, auf Platz vier ab. An meine Reaktion auf diese Niederlage habe ich keine Erinnerung mehr, man kann sie sich aber ausmalen. Meine Gemütslage war wohl ähnlich trübe wie nach der 2:2-Niederlage unserer Mannschaft im diesjährigen Auswärtspiel in Duisburg. Zumindest ist nicht damit zu rechnen, dass ich noch damit gerechnet habe, dass der Club am Ende der damaligen Saison als Zweitligameister aufsteigen würde. Genausowenig wie ich heuer nach dem Duisburg-Spiel damit gerechnet habe, dass der Club die nächsten vier Spiele gewinnen und sieben Spieltage vor Saisonende auf dem zur Relegation berechtigenden dritten Tabellenplatz stehen würde.

Mensch, Freunde! Vier Spiele am Stück gewonnen!

Ich weiß nicht, wann das einer Club-Mannschaft das letzte Mal gelungen ist.

Und ich weiß auch nicht, wie die Tatsache zu bewerten ist, dass unsere Mannschaft am achtletzten Spieltag der laufenden Saison den Sprung auf Platz drei durch einen Auswärtssieg bei dem gleichen Verein perfekt machte, bei dem sie fast auf den Tag genau vor 24 Jahren – und ebenfalls am achtletzten Spieltag – ein Spiel und vorübergehend den dritten Platz verloren hat. (Ein Omen? Und wenn ja: Was will es uns sagen?)

Was ich weiß, ist nur, dass die Club-Mannschaft, die gestern in der Aufstellung…

Schäfer – Diekmeier, Maroh, Pinola, Bieler – Reinartz – Kluge (72. Judt), Mintal (76. Vidosic), Frantz – Boakye, Eigler (74. Risse)

…einen 3:0-Sieg in Oberhausen einfuhr und in der die jungen Wilden mittlerweile ähnlich gut mit den erfahrenen Oldies harmonieren wie im 85er-Team, nun doch noch eine reale Chance hat, die in meiner Weihnachtsbotschaft ausgegebene Devise “Remember 85”, die ich bereits öffentlich widerrufen habe, in die Tat umzusetzen. Gelingen kann das natürlich nur, wenn sie in den letzten sieben Saisonspielen ähnlich erfolgreich ist, wie dies in der Saison 84/85 der Fall war. Das Restprogramm sah damals so aus:

FCN – Aachen 2:1, Wattenscheid – FCN 1:3, FCN – Ulm 46 3:2, Solingen – FCN 2:1, FCN – Homburg 3:0, Darmstadt – FCN 0:4, FCN – Kassel 2:0

In dieser Saison trifft unsere Mannschaft noch auf folgende Mannschaften:

FCN – St. Pauli, FSV Frankfurt – FCN, FCN – Ingolstadt, Greuther Fürth – FCN, FCN – Osnabrück, Rostock – FCN, FCN – 1860 München

Thorsten, ein VfL Wolfsburg-Fan, den es aus Norddeutschland nach Oberfranken verschlagen hat, fragte mich gestern Abend am Tresen: “Was haben der VFL Wolfsburg und der Club gemeinsam?”

“Keine Ahnung”, antwortete ich, “vielleicht, dass Magath mal Trainer beim Club war und jetzt Trainer beim VfL ist.”

“Ganz einfach”, sagte Thorsten, “beide Mannschaften, der Club und der VfL,  können sich nur noch selbst im Wege stehen. Der VfL auf dem Weg zur deutschen Meisterschaft und der Club auf dem Weg zurück in die Bundesliga.”

“Na ja”, sagte ich, “vom Restprogramm her sieht’s für den Club wirklich gar nicht so schlecht aus. Er spielt noch viermal zu Hause und dreimal auswärts. Die Heimspiele muss er alle gewinnen und auswärts sollte er zumindest eines gewinnen und keines verlieren. Auf keinen Fall darf er das Spiel in Fürth…”

“Heer ma doch auf midd die Färder”, raunzte Alfred dazwischen.

“…in Fürth darf er auf keinen Fall verlieren und beim FSV Frankfurt sollte ein Dreier doch möglich sein.”

“Die bleedn Färder, auf die is aa ka Verloss, auf die sedsi in der Säsong nimmer beim Oddsedd. Doss da Glubb in Oberhausn gwinnd, hobbi richdich gedibbd, obber die bleedn Färder, verliern die dahaam geecha Roschdogg. Des därf doch nedd wohr saa.”

Ich tröstete Alfred mit einer Blend 29, ohne Mitleid mit ihm zu haben, und sagte: “Der resolute Vorstoß von Diekmeier vor dem 1:0, war echt stark. Der Junge hat auf rechts Szenen, die erinnern an Stefan Reuter. Und wie der Eigler das 3:0 gemacht hat, war auch stark, auch wenn der Ball wahrscheinlich nicht unhaltbar war. Das hätte der Eckes nicht besser machen können. Wenn Eigler auf der Schiene weitermacht, kann er vielleicht doch noch einer werden. Na ja, und auf Mintal ist sowieso Verlass, der nähert sich immer mehr der Form seiner besten Zeiten.”

“Was ist denn mit dir los”, sagte Hannes, “du wirst ja auf deine alten Tage noch zum Optimisten. Wo kommt denn das so plötzlich her? Vor kurzem hast du dich noch ganz anders angehört, von wegen ‘Nie mehr erste Liga’ und so.”

“Moment”, sagte ich, “ich sage nur: der Club kann es packen. Es liegt jetzt nur an den Spielern. Die dürfen jetzt nicht nachlassen. Die müssen so konzentriert weitermachen wie in den letzten Spielen. Wenn einer abhebt und meint, jetzt läuft die Sache wie von selbst, ist alles, was sich die Mannschaft erarbeitet hat, ganz schnell für die Katz.”

Ich trank mein Glas leer.

“Und außerdem”, sagte ich zu Hannes, “und außerdem hast du in dieser Saison auch schon ein paar Mal den Glauben an die Mannschaft verloren. Wenn ich da zurückdenke, wie du dich nach dem 0:0 im Heimspiel gegen den FSV Frankfurt geäußert hast, das war ja richtig defätistisch.”

“Das ist unfair”, sagte Hannes, “dieses Spiel war ja nun wirklich unter aller Kanone. Ist doch klar, dass nach einem solchen Grottenkick auch bei mir die Stimmung auf dem Gefrierpunkt war.”

Ich gab dem Wirt Zeichen, mir noch ein Pils einzuschenken, und dachte darüber nach, wie der Text des Mörike-Gedichts

Frühling lässt sein blaues Band wieder flattern durch die Lüfte. Süße, wohlbekannte Düfte streifen ahnungsvoll das Land…

weitergeht, das ich vor langer Zeit in der Schule mal auswendig lernen musste und dessen erste Verse mir schon den ganzen Abend lang im Kopf herumgingen, und Hannes sagte: “Wisst ihr, worauf ich gespannt bin? Ich bin gespannt, wie dieser Belschanski oder Belanowski, ihr wisst schon, der Schwarzseher mit dem russischen Namen, der für diese Clubfan-Seite im Internet schreibt…”

“belschanov heißt der”, rief der Wirt über den Tresen, “belschanov, mit kleinem b schreibt er sich.”

“…wie dieser belschanov sich jetzt äußert. Bin gespannt, ob der die Dinge immer noch so negativ sieht.”

Ich kratzte mich am Kopf und sagte: “Ich geh’ mal eine rauchen. Gehst Du mit, Alfred?”

Draußen vor der Tür sagte Alfred: “Da Glubb konns fraili nuch baggn. Wenn die Färder waiderhin soo schwächln, konners fraili nuch baggn.”

Ich gab Alfred Feuer und dachte an das Mörike-Gedicht. Ich nahm mir vor, den Text noch vor dem Schlafengehen in dem alten Lyrikband nachzuschlagen, und freute mich auf das Osterwochenende, das wesentlich entspannter verlaufen würde als das des letzten Jahres.

14 Gedanken zu „Frühling lässt sein blaues Band…

  • 10.04.2009 um 23:17 Uhr
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    “Ich weiß nicht, wann das einer Club-Mannschaft das letzte Mal gelungen ist.”

    Wenn Marvin Braun am 15. Spieltag nicht kurz vor dem Ende das 1:1 für Osnabrück gelungen wäre, belschanov, müsstest du nicht lange überlegen. 😉

    2006/07 hätte es am 19. Spieltag kein 0:0 in Gladbach geben dürfen, dann wären es sechs Siege am Stück gewesen – so waren es nur zwei und dann drei.

    2005/06 verhinderte am 27. Spieltag ein 0:0 in Bielefeld einen “Fünferpack”, auch hier “nur” drei Siege in Folge.

    In der Saison 2003/04 muss es gewesen sein, wenn ich mich nicht täusche. Da das Spiel des 13. Spieltages wiederholt werden musste und erst später stattfand, zähle ich fünf Siege hintereinander, am 10., 11., 12., 14. und 15. Spieltag. Und in derselben Saison gab es zwischen den 28. und 32. Spieltag noch einmal fünf Siege am Stück.
    http://www.fussballdaten.de/vereine/1fcnuernberg/2004/spiele/

    Alle Angaben ohne Gewähr. Vertrauen ist gut, Kontrolle immer besser. 🙂

    Auf geht´s zum nächsten Sieg!

    Gruß aus der Klappergass’
    Kid

  • 11.04.2009 um 08:17 Uhr
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    Hallo,

    bin ja erst seid dieser Woche Mitglied bei euch, aber bin total begeistert was hier für Texte veröffentlicht werden. Seid ihr eine Vereinigung von Journalisten oder Buchautoren?
    Also nicht das ihr jetzt auch von mir erwartet das ich solch lyrische Meisterwerke zum Thema erwartet, ich bin schon froh wenn ich meiner Freundin ein nettes Gedicht zusammreimen kann, wenn wir Jahrestag oder so haben. Die Qualität meines Schreibens seht ihr ja hier in meinem Kommentar.
    Liegt vielleicht auch an meinem Studium: Mathematik/Physik. Da ist man nicht so abhänging von Rechtschreibung oder Grammatik. Ein mathematischer Satz besteht aus anderen Dingen wie in einem gut geschriebenen Artikel.

    So nun hier nach dem ganzen Gerede mein Statement zu dem Spiel:

    Meine Freundin und ich saßen an dem Do. Abend hier in meinem Arbeitszimmer. Dem gingen bei mir schon völlig verrückte Tage vorraus, ich fieberte diesem (so auch dem nächsten Spiel) vorraus, wie ein Kind das sich auf Weihnachten freut. Doch diese Vorfreude war durchmischt mit der Angst das wir versagen können (wie vor dem nächsten Spiel).
    Wir haben leider kein Premiere daheim, und in die irische Sportbar am Königstorgraben (ein Punkt in nbg wo man noch ohne raucherclubmitgliedschaft Fussball schauen kann) wollten wir auch nicht, da wir alle Spiele die wir da gesehen haben, auch verloren haben. Ja ein Mathematiker kann auch ein wenig abergläubisch sein, *g*. Somit haben wir uns auf die Radioübertragung von Bundesligaradio verlassen, mit einem grotten-schlechten Moderator. Für ihn fielen die Tore immer aus heiterem Himmel, es gab in seiner Moderation keine vorhergehenden Zuspiele weil er in der Zeit immer ein Müll von sich gegeben hat.
    Somit hieß es dreimal: “Tor, …” aber für wen?, das sagte er immer erst Sekunden später. Das ist mal ein schlechtes Gefühl, man weiß nicht für wen.
    Glücklicher weise hat sich ja alles zum Guten gewendet, alle Tore waren auf unserer Seite, wir konnten uns freuen. Man schwebt als Fussballfan jetzt schon auf Wolke-Sieben, aber dieses Glücksgefühl wird immer durch die Angst getrübt, das doch noch ein Rückschlag kommen kann. Wie mein Vorredner schon sagt: wir können uns jetzt nur noch selbst im Wege stehen. Ich sehe diese Gefahr jetzt noch viel mehr, weil vorher mussten wir uns herankämpfen. Das ist eine andere Situation, jetzt sind wir gefragt die Position zu verteidigen. Wichtig ist jetzt auch das die Spieler auf dem Boden bleiben. Ich hoffe das grad die Jungen Spieler wie Maroh, der ja seid November schon auf Wolke-Sieben schwebt, jetzt gut betreut werden – genug erfahrene sind ja immer noch da. Weil der phsychische Druck wird jetzt noch steigen, der Druck der Medien wird steigen. Wir sehen es ja bei den Trainingseinheiten. Da tummeln sich z.Z. schon hunderte Menschen bei der Nachmittagseinheit, das wünschen sich manche Regionalligisten als Publikum.

    Oh jetzt habe ich auch einen längeren Text verfasst, habe ich vorher gar nicht so gewollt 😉

    So zum Abschluss:
    Damit ich nicht wieder aufs bundesligaradio zurück greifen kann plane ich jetzt die Auswärtsfahrten mit zu machen, vll gibt es ja von euch auch ein Paar die Mitfahren. Für Fürth habe Karten, für Frankfurt hole ich am Dienstag, aber Rostock ist doch ein wenig zu weit, wie und mit wem fährt man da hin (also jetzt keine Wegbeschreibung, ich war da schon öfters baden, bin ja schließlich nen Zonen-Kind). Also wenn wir ein paar Leute von hier dafür zusammenfinden wäre das natürlich noch besser. Meldet euch einfach bei mir (twitter, Forum, Email)

    lg max

  • 11.04.2009 um 10:37 Uhr
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    Aha, hier turnt also genau so ein positiv Verrückter wie unser Kid herum.

    Ich werde jetzt öfters hier vorbeischauen.

    Rot und Schwarz die einzig wahren Vereinsfarben.

    Gruß aus FFM

  • 11.04.2009 um 13:48 Uhr
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    @Kid

    Ich werde deine Angaben nicht überprüfen, ich habe volles Vertrauen in deinen Spürsinn fürs Faktische.

    Vielen Dank für deine Informationen und bis bald…

    @ElectricMaxxx

    Herzlich willkommen. Schön, dass es dir hier so gut gefällt.

    Ja, die Angst vor Rückschlägen ist mir bekannt…

    @HeinzGründel

    Das mit dem “Verrückten” nehme ich voll hin, das mit dem “Herumturnen” nicht so ganz. Schließlich bin ich hier (so gut wie) zu Hause. Kann man sagen, jemand turnt da, wo er zu Hause ist, herum?

    Herzlich willkommen und hoffen wir mal, dass die Eintracht in der nächsten Saison in einem Spiel mehr in den Ersatztrikots spielen muss…

  • 12.04.2009 um 13:48 Uhr
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    In der Saison 87/88 gab es von 14 bis 20 Spieltag 7 Siege am Stück.

  • 13.04.2009 um 12:16 Uhr
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    1921 hat der Club 14mal hintereinander gewonnen (Champions League mitgezählt)

  • 16.04.2009 um 11:53 Uhr
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    Waren sie da nicht auch im Weltpokal-Endpsiel? 😉

  • 16.04.2009 um 21:17 Uhr
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    @Schäuferla und Derbfuss

    Was lese ich da: Der Club im Jahr 1921 in der Champions League? Und im gleichen Jahr im Weltpokal-Endspiel?

    Wäre nett, wenn Ihr mich näher aufklären könntet. Bin an allem, was mit Fußballgeschichte zu tun hat, brennend interessiert. Besonders wenn es um den Club geht.

  • 17.04.2009 um 16:20 Uhr
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    Sorry Belschanov 😉
    Als ich das von SCHÄUFERLA las, mußte ich einfach noch eins draufsetzen 😉

  • 18.04.2009 um 07:05 Uhr
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    Klar war der Club damals im Weltpokalendspiel.

    2:3 verloren gegen AC Weichehandewitt (Morlock hat einen Elfer kurz vor Schluss verschossen)

  • 18.04.2009 um 07:53 Uhr
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    Was schreibt denn das Schäuferla da für einen Mist. Der Club hat damals doch nicht 3:2 verloren. Das war ein glattes 5:2!

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