Lucky Punch
Hannes und Konrad Lorenz saßen am Tresen und zwischen ihnen stand Alfred. Ich hängte meinen Mantel an die Garderobe und setzte mich auf den freien Barhocker neben Konrad Lorenz und hörte Alfred sagen: “Freili hobbi den Kampf doomolds gsääng, is ja a Riesndejooda drumm gmachd worn um den Boxkampf doomolds in Kin Kin, irchndwoo in Afrigga…”
“Kinshasa”, sagte Konrad Lorenz, “damals Zaire, heute Kongo.”
“…hodd lang nedd guud ausgschaud fiern Ali, der woor ja bloos nuch in die Saile ghengd und da Foreman hodd auf ihn aigschloong, obber dann issa kumma, da Ali, aus da Deggung issa kumma und hodd na k.o. gschloong, korz vorm End vo da ochdn Rundn hoddana k.o. gschloong na Foreman, woor a laggi, a laggi…”
“Lucky Punch“, sagte ich.
“…a laggi Bandsch woor des, a laggi Bandsch.”
Alfred schaute mich treuherzig an und tippte sich mit dem V seines rechten Zeige- und Mittelfingers an den Mund und ich bestellte beim Wirt ein Pils und gab Alfred eine Blend 29 und Hannes sagte: “War heute mit dem Club ähnlich. Zuerst hing er gewaltig in den Seilen, Chancen über Chancen für die Hertha, und dann hat er das Spiel doch noch gedreht.”
“Na ja”, sagte Konrad Lorenz, “so richtig treffend ist der Vergleich nicht…”
Alfred steckte sich die Zigarette hinters Ohr und trottete nach draußen.
“…Dass der Club das Spiel gewonnen hat, war reines Glück. Aber der Ali, der hat das so geplant. Der hat sich ins Seil gehängt und darauf gesetzt, dass Foreman sich im Infight verausgabt. Der Plan ging auf. Als Foreman platt war, schlug er ihn k.o (klick und klick). Dass der Club das heute so geplant hat, kann mir keiner erzählen.”
“Der Club ist heute mit einem blauen Auge davongekommen”, sagte ich, “wenn Schäfer nicht so gehalten hätte und Hertha etwas mehr Glück gehabt hätte, wäre er schon zur Halbzeit k.o. gewesen…”
Der Wirt reichte mir das Pils über den Tresen.
“…und der 2:1-Siegtreffer in der Nachspielzeit war ein Lucky Punch der Marke ‘unverschämt’.”
“Wieso?”, fragte Hannes.
Ich nahm einen Schluck und sagte: “Weil das Tor nach meinem Regelempfinden nicht regulär war. Beim Pass auf Gündogan stand Charisteas gefühlte zehn Meter im Abseits. Charisteas wartet, bis Gündogan ihn überlaufen hat, läuft dann mit, lässt sich vor dem leeren Tor anspielen und braucht den Ball nur noch einzuschieben. Das ist doch ‘ne billige Nummer. Kann man da noch von ‘passivem Abseits’ sprechen?”
“Klar kann man das”, sagte Konrad Lorenz, “das ist ja gerade der die Attraktivität des Spiels fördernde Effekt der ‘passiven Abseitsregel’. Sie gibt der angreifenden Mannschaft die Chance, den Gegner für das Aufbauen einer Abseitsfalle zu bestrafen. Nach meinem Empfinden haben Gündogan und Charisteas das clever gemacht. Wahrscheinlich werden solche Spielsituationen sogar im Training geübt.”
“Hab’ ich so noch nie betrachtet”, sagte ich und Hannes sagte: “Gab’s da nicht mal einen Song über den Boxkampf in Kinshasa?”, und der Wirt sagte: “Klar, ‘Rumble in the Jungle’, den hab’ ich sogar da. Soll ich ihn spielen?”, und ich sagte: “Ja”.
chapeau…herr belschanov…chapeau…glück gehabt…aber wurde auch mal zeit! danke für die schöne geschichte…da läßt es sich auch in montevideo gut schlafen…
sehr treffend und zudem den Finger auf die richtigen Punkte gelegt. Das mit dem “gefühlt ungerechten passiven Abseits” habe ich auch im Kollegenkreis diskutiert und man kommt nicht umhin am Ende zu sagen: Alles korrekt, aber genau ein Grund dieses passive Abseits wieder abzuschaffen – es entsteht eine “gefühlte” Ungerechtigkeit, wie wenn einer etwas klaut, dann aber aufgrund einer Gesetzeslücke behalten darf. Aber davon abgesehen nimmt man das mit und steht auch mal gerne auf der “anderen” Seite des Deppen-Ufer. Denn auf der “Deppen-Seite” (was nicht despektierlich klingen soll, denn normalerweile gilt die Seite vom Club besetzt) hat Hertha sich an diesem Spieltag ganz dick einen Namen gemacht – erst Chancen versiebt, dann auch noch das Unentschieden verloren und zuletzt durch die eigenen Fans auch noch Kredit verspielt. Das Nachspiel wird nicht lange auf sich warten lassen.
Herrlicher Artikel und ich hoffe ein Revanche Kampf findet so schnell nicht statt, weil dazu müsste der Club in die 2. Liga! Das will aber niemand zumindest aus fränkischer Sicht 🙂
@maggi:
Rot-schwarze Grüße nach Montevideo. Wünsche wohl geruht zu haben.
@Alexander:
Habe die Sache bislang so gesehen wie du. Aber das, was Konrad Lorenz sagt, wirft ein neues Licht auf die Dinge…
@Juwe:
Genau so isses.
Erinnert sich noch jemand an den ersten Spieltag? Das 2:1 für Schalke fiel so.
Falls es das Gerechtigkeitsempfinden von jemandem lindert: Jeder Verteiger hat die Möglichkeit mitzulaufen. Pass auf Gündogan: Losrennen. Pass auf Harry: Reingrätschen (in den Pass natürlich). Immerhin muss Gündogan die gefühlten zehn Meter und noch den einen oder anderen mehr überwinden.
Die Hälfte des IFAB ist britisch, und dort wird einfach etwas mehr gelaufen. Vielleicht als Erklärung tauglich.
Mich wunderts ja irgendwie, dass die doch sehr komplizierte Situation nicht abgepfiffen wurde. Das ist doch in der Hinrunde in Frankfurt ähnlich so gewesen.
Das neue Verhalten der Schiedsrichter lässt mich auch hoffen. Denn Pech mit dem Schiri hat man auch nur gaanz unten drin. Zumindest war es bei uns bisher so.
Es gibt Spiele die man als Fan nicht vergißt, so wie 1999 zuhause gegen Freiburg als wir überraschend abstiegen oder als vor zwei Jahren Schalke uns am letzten Spieltag endgültig in die 2. Liga schoß. Solche Spiele graben sich tief ins Gedächtnis ein.
Ich glaube bei Hertha BSC haben wir jetzt auch einen dicken Stein im Brett 🙂
Das Tor von Kuranyi am Freitag gegen Stuttgart war die selbe passive Abseitsdose. http://www.youtube.com/watch?v=uHP1Xy905HI (ab Minute 3:30)
Jemand eine Statistik parat wieviele Tore in dieser Saison aus einem passiven Abseits gefallen sind?
@ belshanov: Danke für diesen Beitrag, der mich nochmal über den Samstag schmunzeln lässt.
Meine Aufassung zur passiven Abseits ist die, dass der betreffende, angespielte Spieler, also Harry erstmal seinen Allerwertesten dorthin gebracht haben muss, wo er stand.
Auf diese Höhe muss der anspielende Spieler erstmal laufen, und müsste umso weiter laufen, wenn nun auch der passive Mann aufs Tor zuliefe. Die Distanz vor dem erlaubten Abspiel kann er in der Rückwärtsbewegung freilich verkürzen oder in querender Bewegung einhalten, oder? In allem hätte ihn aber ein Verteidiger bewachen und decken können, jederzeit. Daher korrekt, oder habe ich mir jetzt einen Knoten ins Hirn gemacht? Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Lucky Punch und Lucky Strike? 🙂
Lucky Strike kann man kaufen, Lucky Punch nicht.
die konstellation könnte am letzten spieltag ganz ähnlich sein. freiburg, hannover, köln, bochum und der club gehen in den spieltag, an dessen ende für jede dieser mannschaften noch platz 13 bis 17 möglich ist…
…und der club spielt zu hause gegen köln.
da wäre so ein weiterer lucky punch -mit einer lucky strike statt blend- als gefühlte revanche für 1999 doch genau richtig. gerne auch wieder mit einem passiven abseits in der entstehung des entscheidenden treffers.
passives abseits ist n.m.e. eine sinnvolle regeländerung gewesen. viel zu oft wurden unnötig spielsituationen abgepfiffen. inzwischen ist es im kopf der mannschaften angekommen, dass eine abseitsfalle genau SO klasse ausgehebelt werden kann. eine schwierigkeit ergibt sich nur dadurch, dass die anforderung an das schiedsrichtergespann enorm ist – und leider häufig zu unrecht abgepfiffen wird.
als ausgenutzte gesetzeslücke konnte man es sicher zu beginn interpretieren. inzwischen ist es bei geltender regel so oft diskutiert worden, dass keiner sich ruhigen gewissens auf die zugespitzte aussage: “das ist aber gemein! so war das sicher nicht gedacht. mensch. ungerecht!!” zurückziehen kann. gleiches recht für alle.
die gefühlte steigerung war halt, dass der CLUB in der NACHSPIELZEIT durch HARRY durch die PASSIV-REGEL ein spiel GEDREHT hat, das er eigentlich zur halbzeit schon hätte VERLOREN haben müssen…
oder wie es belschanov so herrlich betitelt:
ein LUCKY PUNCH eben. 🙂
Gnadenlos guter Artikel,Belschanov. Und auch noch absolut treffend. Schade nur, daß wegen diesem Gesetz nun neuerdings Alfred draussen raucht 😉 Ich plädiere dafür. die Kneipe in einen Raucherclub umzuwandeln.
Ja ich befürchte auch, wenn Köln so weitermacht, wird es ein Abstiegsknüller am letzten Spieltag, bei dem es für beide ums nackte Überleben geht. Mir wäre es ansich lieber Köln hätte sich bis zu dem Zeitpunkt weng ins graue Niemandsland abgesetzt und wenig Lust nochmal alles zu geben oder noch besser, der Club wäre hinten weit genug raus 🙂
Aber mit der Leistung in Berlin, wollen wir mal nichts beschönigen, bin ich nur begrenzt optimistisch bei den kommenden Aufgaben. Hoffenheim oder Dortmund lassen sich nicht lange bitten zum fröhlichen Scheibenschießen, da ist die Messe schnell gelesen.
und parallel spielen: bochum gegen hannover, freiburg gegen dortmund…
Also, dass dieses Ausspielend er Abseitsfalle so geplant war und sogar trainiert war, halte ich mal für blanke Ironie. Harry steht so oft im Abseits und merkt es gar nicht, das ist schon typisch für ihn geworden. Und plötzlich soll es Absicht gewesen sein? Ha ha… sehr witzig
irgendwie muss man ja zu seinem ersten saisontor kommen. 😉
oder die mitspieler haben bis heute nicht verstanden, warum harry so oft im vermeintlichen abseits steht…
Mir wäre es lieber, wir stünden dann 4 Punkte vor Köln, die auf dem Relegationsplatz stehen 😉
und erst mal gilt es den montag schadfrei zu überstehen…
dfb-sportgerichtstermin:
http://www.kicker.de/news/fussball/bundesliga/startseite/522414/artikel_Koeln-und-Club-vors-Sportgericht.html