Club zielte auf Latte und Pfosten
Das war streckenweise in der ersten Hälfte des kampfreichen Spiels der “alte Club”. Es lief alles harmonisch zusammen. Max Morlock dirigierte aus rückwärtiger Position. Strehl scheute die sehenswerten Duelle mit Herthas stahlhartem Stopper Eder nicht und riß auf die Flügel aus. Hinter dem Sturm stand die Läuferreihe mit den Nationalspielern Wenauer und Reisch und dem unauffällig wirkenden Gettinger. Wenauers große Leistung dürfte an diesem Premierentag der Bundesliga von keinem anderen Stopper übertroffen worden sein. Das war eine Clubmannschaft, die in der Abwehr ihre Ruhe und Abgeklärtheit durch den sicheren Torwart Wabra erhielt. (Sportmagazin 34/A/1963, S. 26)
In dieser Partie, die der 1. FC Nürnberg am ersten Spieltag der neu gegründeten Bundesliga in der Besetzung:
Die Aufstellung des 1. FC Nürnberg
vom 24. 8. 1963
WABRA
DERBFUSS WENAUER FERSCHL
GETTINGER REISCH
MORLOCK MÜLLER
FLACHENECKER STREHL ALBRECHT
Spielbeginn:
17.00 Uhr
im Berliner Olympiastadion gegen Hertha BSC bestritt (klick), ging der Club in der 41. Minute mit 1:0 in Führung:
Vier Minuten vor der Pause nutzte Morlock nach Albrechts Vorlage eine geringe Lücke und schoss entschlossen ein. (Sportmagazin)
Eine andere auf Fußball spezialisierte Sportzeitung, die mittlerweile eine Fusion mit dem “Sportmagazin” eingegangen ist (klick), beschreibt die Szene so:
Ein typisches Morlock-Tor, aus zunächst harmlos erscheinender Situation. Mit weltmeisterlicher Kaltblütigkeit spitzelte Max den Ball ins Netz. (Kicker 34/1963, S. 16)
Max Morlock (klick), der nach dieser ersten Bundesligasaison, in der er 21-mal eingesetzt wurde und acht Tore erzielte, seine eindrucksvolle Fußballkarriere beendete, scheint am Bundesliga-Premierentag der Dreh-und Angelpunkt des Nürnberger Spiels gewesen zu sein, auch wenn der Tribut, den sein fortgeschrittenes Alter forderte, erkennbar war:
Der “Club” aber lebt – noch immer – von Maxl Morlock. Von seinen klugen Pässen, die um Millimeter am Gegner vorbeiflitzen und haargenau zum eigenen Mann kommen, von seiner klugen Übersicht. Morlock findet noch immer einen Ausweg auch aus verzwickter Situation. Aber Nürnberg muss auch mit den Kunstpausen des heute 38jährigen vorliebnehmen. Steht Morlock still, kommt auch Nürnbergs Angriff kaum in Fluß. (Kicker)
Nach dem Spiel, in dem er eindrucksvoll unter Beweis gestellt hatte, dass Alter weder vor Tor-heit noch vor “klugen Pässen” schützt, sollte Morlock allerdings sagen:
Nun hab’ ich beide Tore gemacht (Kicker),
und es war das zweite der beiden Tore, das dafür sorgte, dass Morlock am Ende der tragische Held dieses Spiels war und nicht der strahlende.
Dabei handelte es sich bei diesem zweiten Tor, durch das die Hertha eine halbe Stunde vor dem Abpfiff zum 1:1 kam, nicht etwa um ein Eigentor von Morlock, sondern um einen Elfmeter, der Morlock mit dem Schiedsrichter hadern ließ:
So etwas habe ich noch nicht erlebt. Wie kann man in einem solchen Spiel so einen Elfmeter geben? Ich wollte einen Rückzieher machen und dabei sprang mir der Ball an die Hand. Unabsichtliches Handspiel kann doch nicht mit einem Strafstoß geahndet werden, zumal die Situation noch nicht einmal torreif war. Ich weiß wirklich nicht, was sich der Schiedsrichter dabei dachte, vielleicht eine Konzession an die Berliner, was weiß ich… (Sportmagazin)
Die Ausführung des Elfmeters wird im “Kicker” geschildert, wobei das Augenmerk des Reporters interessanterweise nicht auf dem Elfmeterschützen und dem von ihm abgegebenen Schuss liegt, sondern auf dem Verhalten seiner Mannschaftskameraden:
Nur ein Elfmeter-Tor bewahrte Hertha vor der Niederlage. Die Situation um diesen Strafstoß aber offenbarte die Nervosität der Herthaner. Rehhagel … Eder und Schlesinger wandten sich von der Szene ab, als sich Schimöller zur Elfmeterexekution bereit machte. Sie steckten wortgetreu die Köpfe in den Sand (Rasen).
“Den Kopf in den Rasen zu stecken” und das auch noch “wortgetreu” ist eine Übung, die wohl nur jemand hinkriegt, der merkt, dass er eine “letzte Chance” bekommen hat, an die er gar nicht mehr glaubte, und der “nicht hinsehen kann”, weil er weiß, dass die Sache gelaufen ist, wenn diese Chance nicht genutzt wird.
Dass dieser Elfmeter für die Hertha tatsächlich so etwas war wie ein rettendes Geschenk des Himmel, unterstreicht das Spielfazit im “Kicker”:
Das 1:1 widerspricht den Torchancen. Viermal krachten Schüsse der Nürnberger gegen Herthas Torgebälk. Tillich hätte kaum einen Finger mehr rühren können. Die flinken, listigen Nürnberger schossen besser, wuchtiger, genauer als die Herthaner!
Vier Schüsse ans Torgebälk und Endstand 1:1, weil der Gegner, der nicht viel zu bieten hatte, einen Elfmeter verwandelte, der wahrscheinlich gar keiner war…
…das lässt an Sisyphos (klick) denken, und wenn ich an Sisyphos denke…
…denke ich an die zahlreichen Abstiege des Clubs, die oft kamen, als man glaubte, dass der Fels nicht mehr nach unten rollen kann…
…und ich denke an Schüsse ans Torgebälk, die, sofern der Schütze nicht von allen guten Geistern verlassen ist wie einst Frank Mill (klick) und wie der Frank Mill von Katar (klick), immer Pech sind und deren Tragik darin liegt, dass der Schütze sehr genau geschossen hat (“zu genau”, wie der Volksmund sagt), aber nicht den verdienten Lohn für die präzise Schussleistung erhält (ein Spieler, der das Torgebälk trifft, ist ein kleiner Sisyphos)…
…und besonders denke ich an Torgebälktreffer, die besonders tragisch waren…
…Herbert Heidenreichs Schuss an den Pfosten des Bayerntors im Pokalfinale 1982, der dem Club das 3:1 und den Pokalsieg hätte bringen können (klick)…
…Marek Nikls fulminant-famoser Distanzschuss in den letzten Sekunden des von Alfred Hitchcock gedrehten Abstiegsthrillers aus dem Jahr 1999, der den Club in der Bundesliga gehalten hätte, wenn der Ball da gelandet wäre, wo er hingehörte, und nicht am linken Pfosten des Freiburger Torgehäuses (klick)…
“Club zielte auf Latte und Pfosten” lautet im “Kicker” die über den Bericht vom ersten Bundesligaspiel des Clubs gesetzte Schlagzeile und es kann einem so vorkommen, als sei in diesem Satz das Drehbuch angelegt für die Geschicke des 1. FC Nürnberg in den letzten Jahrzehnten.
Von den, wenn ich richtig gezählt habe, zwölf Pfosten- bzw. Lattentreffern, die der Club in den siebzehn Vorrundenspielen der laufenden Saison “erzielte”, sind mir drei als besonders ärgerlich in Erinnerung geblieben: Ekicis genau gezirkelter Freistoß im ersten Heimspiel gegen Freiburg, der vom Lattenkreuz ins Feld zurücksprang, so dass der Club nicht kurz nach der Halbzeit mit 2:1 in Führung ging, sondern mit 1:2 in Rückstand geriet, weil wenig später Freiburg ein Tor erzielte (klick), und Gündogans Latten- sowie Ekicis Pfostentreffer im Auswärtspiel in Frankfurt, das der phasenweise drückend überlegene Club wohl nicht verloren hätte, wenn wenigstens einer der beiden Bälle ins Netz gegangen wäre (klick).
Ich denke aber auch (zumindest ein bisschen…) an die beiden Aluminiumtreffer in der 73. Minute des Auswärtsspiels in Bremen, die nicht verhinderten, dass der Club als Sieger vom Platz ging:
Zuerst landete ein 16m-Schuss des starken Gündogan … am Querbalken des Werdertores, dann krachte Schiebers Nachschuss an den Pfosten und dann beförderte Gündogan den Ball zum 3:1 in die Maschen. (klick)
Und ich denke auch (ein bisschen…) an das Heimspiel gegen Hannover, in dem ein gegen den Club verhängter mehr als umstrittener Hand-Elfmeter (klick) unserer Mannschaft – anders als bei der Bundesligapremiere in Berlin – keine Punkte kostete:
Der Club schaltete nach dem Handelfmeter einfach einen Gang höher, rückte wieder entschlossen auf, störte aggressiver und tütete so kurz nach dem Gegentor den Dreier endgültig ein. (Kicker-Sportmagazin 102/2010, S. 30)
Gut zu wissen, dass der 1. FC Nürnberg auch Spiele gewinnen kann, in denen ihm das Aluminium nicht hold und der Schiedsrichter nicht gewogen ist. Ob es unserer Mannschaft aber in naher Zukunft so häufig, wie wir uns das wünschen, gelingt, nach Rückschlägen mit der in dem Spielbericht des “Kickers”, halt: des “Kicker-Sportmagazins” unterstellten teleologischen Leichtigkeit (klick) zurückzuschlagen (“einfach einen Gang höher schalten … den Dreier endgültig eintüten”), bleibt abzuwarten. Ich fürchte, in diesem Punkt gilt für den fränkischen Traditionsverein immer noch die chinesische Weisheit:
Der Weg ist das Ziel.
Wunderbar, die Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart. Das ist es, was den Unterschied zur rein journalistischen Berichterstattung ausmacht. Danke für literarische Tiefe in einem “schnöden Fußball Fanprojekt” 😉
Allerdings muss ich in einem Widersprechen: Nicht nur der Weg, vor allem das Ziel ist das Ziel, und wo sonst könnte das besser ausgedrückt werden als in “unserem” Credo: Heimspiele müssen gewonnen werden!
Danke belschanov, klasse Artikel.
Natürlich sind die vielen Latten- und Pfostentreffer der Vorrunde ärgerlich.
Auf der anderen Seite zeigt es aber auch, dass der Club wieder in der Lage ist sich Chancen zu erarbeiten.
Angsthasenfussball wie wir ihn vor nicht allzu langer Zeit öfters zu sehen bekommen haben, gibts kaum noch zu sehen.
Die meißten Niederlagen in der Vorrunde gabs wegen individueller Fehler in der Abwehr, vor allem bei Standards, daran sollten unsere Jungs noch arbeiten.
Herrlich! DANKE!
He – bist Du etwa derselbe Derbfuss wie in der 63er-Aufstellung? Oder hat Dich etwa belschanov da einfach reingemogelt?
Naja,- nachdem der Dieter (Eckstein) mit in die Abstimmung zum Spieler des Jahres durfte, hab ich drauf bestanden in der 1.Bundesliga-Saison mit aufgestellt zu werden.
Jeder muss halt schauen wo er bleibt. 😀
Mintal muss auch schauen wo er bleibt, hoffentlich kann er Englisch! :-O
(Wenistgens besser als Gerd Müller damals in Fort Lauderdale)
Loddar war da bahnbrechend
Again what learned!
Bader raus und a gsunds neues allen!
Mintal in Übersee?
Kann ich mir nicht vorstellen das er sich und seiner Familie das antut.
Wird nur an der lieben Marie hängen letztlich, wenn es attraktiv ist… das hat schon ganz andere ‘Weltbürger’ mit O-Beinen bewogen sich mit Fremdsprachen herumzuschlagen 🙂 …
Nun, laut aktuellster Schlagzeile sollen die Amis dem Marek sogar einen 3-Jahres Vertrag anbieten. Das halte ich für eine weitaus größere Verlockung als das Geld, denn davon sollte Marek inzwischen wahrlich genug verdient haben. So eine Laufzeit wird er in Europa nirgends mehr bekommen und da er v.a. spielen will und alles andere eher nebensächlich zu sein scheint, könnte das den Ausschlag geben.
Ich würde es ihm wünschen, noch eine Liga seiner Torjägerkanonen-Sammlung hinzufügen zu können!
Na dann können sie ihm ja einen 5 Jahres Vertrag geben und nichts oder wenig zahlen, wenn das ja so attraktiv ist 🙂
Natürlich geht es ums Geld, Profifußball ist Turbokapitalismus in seiner reinsten Form, alles weitere ist Nebengedöhns. Wenige Ausnahmen wie Pino, weil sich seine Frau in Nürnberg wohl fühlt, muss man mit der Lupe suchen und bilden wohl die Ausnahme, von der jede Regel ein paar bestitzt. Die Regel ist aber wie bei Demba Ba oder Farfan, Dzeko oder Gustavo… ein Profi geht dorthin, wo das Geld stimmt wider gültiger Verträge zur Not auch mit einem Streik gegen den eigenen Arbeitgeber. Wenn mir nur der Sport nicht so gefallen würde, würde ich in dieses kranke System, in dem sich auch noch halbseidene ‘Spielerberater’ oder die komplette Verwandschaft eines Spielers (Südamerika üblich) die Taschen vollstopfen, ansich aus Prinzip keinen Cent investieren. Nur, ich mag den Sport halt…
Wenn es Mintal ums Geld ginge, dann hätte er den Club schon vor Jahren verlassen und richtig Kohle gescheffelt.
Genau so isses. Hat ja keiner behauptet, dass er in USA schlecht verdienen würde, aber er wäre sicher zu (auch deutlichen) Gehaltseinbußen bereit, wenn er nur spielen darf.
Fakt ist aber, dass er bei uns auch für weniger Geld nicht öfter spielen würde, weil halt einfach kein Platz mehr in der Mannschaft ist.
Hab gerade bei Sky nochmal das Spiel Bremen – Club angeschaut.
Latte Gündogan, Pfosten Schieber, Tor Gündogan, schee wars trotzdem. 🙂
Erster Test, erster Sieg, 0 : 1 gegen Genkerdingsda Ankara, Torschütze unser Joungster Mendler in der 77. Minute. Spricht optisch für eine kompakte Spielweise, mehr als die paar wiedergegebenen Daten war allerdings leider (bisher) nicht rauszukriegen.
“Wenn es Mintal ums Geld ginge, dann hätte er den Club schon vor Jahren verlassen und richtig Kohle gescheffelt.”
Mintal ist für mich schon ein besonderer Spieler, aber wir sollten jetzt keine Legendenbildung betreiben. Der Hauptgrund, dass Mintal so lange bei uns geblieben ist, war dass er sich mehrmals sehr stark verletzt hat. Hätte er noch eine Saison auf dem Niveau der Torjäger-Kanone Saison gespielt wäre er weg gewesen. Da mache ich mir gar nichts vor.
Dass Pino vor der Saison nicht gegangen ist, ist dagegen wirklich etwas besonderes. Das findet man sicher nicht mehr so oft, Schalke hat sowohl sportlich, als auch finanziell sicher mehr geboten. Aber vielleicht hat ihn auch das Beispiel Kluge ein wenig abgeschreckt, der jetzt doch fast ein Jahr gebraucht hat bis er Stammspieler auf Schalke wurde.
Gerade in den letzten Jahren hat man doch einige Spieler erlebt, die sich “verwechselt” haben und für kurzfristige Kohle viel sportliche Perspekive und am Ende vielleicht sogar Geld verspielt haben. Ob ein Schlaudraff oder ein Baumjohann noch einmal die Kurve bekommen? Oder Leute wie Hajnal, Feulner etc., ob die sich mit den Wechseln wirklich eine Freude gemacht haben?
Aber ab einem bestimmten Betrag überlegt jeder was er machen sollte, immerhin kann man sich im heutigen Fußball mit einem 3-Jahresvertrag für den Rest des Lebens sanieren. Das ist schon eine Überlegung wert. Deshalb würde ich es auch nie verteufeln, wenn ein Spieler wechselt, auch so Totschlagsargumente wie “Söldner” etc. halte ich für wenig hilfreich. Wer würde in seinem Job nicht für ein deutlich besseres Angebot die Firma wechseln? Leider gibt es das im normalen Leben nicht so oft ;-).
Ich sehe das ähnlich und verstehe, nach reiflicher Überlegung, die Aufregung nicht, die die Frage Mintal im Moment auslöst. Ich finde im Gegenteil, dass sich beide Seiten bis dato vorbildhaft verhalten (zumindest soweit ich das bisher über die Presse mitbekommen habe). Weder machte irgendjemand von offizieller Seite Mintal schlecht noch motzte Mintal über den Club – insofern stehen die Zeichen gut, dass Mintal in Zukunft für eine noch zu bestimmende Funktion beim Club gewonnen werden kann. In einem der vergangenen Kommentare wurde mal – zu Recht – angemahnt, dass es in der Vergangenheit beim Club des öfteren – und das kreide ich Bader als Hauptverantwortlichem auch an – an Stil gefehlt habe, der Fall von Galaseks Verabschiedung sei hier nur genannt. Aber offenbar scheint man gewillt, so etwas nicht mehr vorkommen zu lassen und das begrüße ich und erkenne das Bemühen an. Dass auf der anderen Seite ein Mintal noch ein paar Jahre spielen möchte, das ehrt den Spieler und entspricht der untadeligen Einstellung, die Mintal bisher immer an den Tag gelegt hat. Insofern würde ich mir für ihn, gerade als Clubberer, der weiß, was er ihm zu verdanken hat, ein interessantes Angebot wünschen, so dass er die aktive Karriere so abschließen kann, wie er sich das selber vorstellt und möchte. Um danach wieder beim Club zu arbeiten. Eine derartige Perspektive sollte man nicht dadurch zunichte machen, dass man jetzt von “Schande” und “Treulosigkeit” brüllt und so Gift in den Lauf einer Entwicklung gießt, wo das absolut nicht vonnöten wäre. Genau deshalb versage ich mir auch jegliche Spekulation darüber, ob Mintal ohne Verletzung geblieben wäre.
Grundsätzlich gilt im übrigen, was Alexander schon vor einiger Zeit festgestellt hat: eine besondere Beziehung zu einem Verein zu entwickeln, das braucht Zeit und ist auch nicht jedem gegeben (meine Ergänzung). Ich ergänze weiter: sonst wäre eine solche Beziehung auch nichts Besonderes mehr. Auch möchte ich daran erinnern, dass es nicht selten die Fans sind, die bei nachlassender Leistung eines einstigen Lieblings das selbst erbaute Denkmal unter anderem dadurch anscheißen, dass Treue plötzlich als naives Ausharren interpretiert wird, wo es doch anderswo deutlich mehr zu holen gegeben hätte. Auch für die eigene Karriereplanung ist – da die Zeit begrenzt ist – ja permanent die Frage nach dem “Höher, schneller, weiter” neu zu beantworten. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an den Fall Enke: ein Spieler, bei dem die Hauptfrage nicht die nach der persönlichen Leistung oder nach dem Torwartstil war, sondern die, ob ein Spieler von Hannover Nationaltorwart sein könne. Da hatte es ein Rensing, zumindest auf dem Papier leichter: den beförderte sein Oberhoeneß schon ins Nationalteam (was will man denn mit einem Enke oder den anderen 30-jährigen, wenn man Adler, Neuer oder Rensing hat?), ohne dass er im Verein bereits unumstrittener Stammtorhüter gewesen wäre (dass gerade dieses indiskutable Geschmarre dazu beitrug, Rensing eine Bürde aufzuerlegen, die zu tragen er nicht fähig war, ist eine Ironie der Geschichte, ganz am Rande bemerkt). Als nächster wird auch ein Neuer für sich die Frage beantworten müssen, ob Schalke noch gut genug ist für ihn und seine sportliche Karriereplanung – ganz unabhängig von den finanziellen Fragen. Denn mal ganz ehrlich: ob zwei oder 12 Mio im Jahr – versaufen kann man beide Summen nicht mehr.
Zurück zu Nürnberg: Einseitig ist so ein Geschäft (d. i. Vereinstreue) im übrigen auch nicht – Schäfer hat einmal, seine Stuttgarter Erfahrungen resümierend, bemerkt, er wisse, was er an Nürnberg habe und beabsichtige deshalb auch nicht mehr, wegzugehen.
Was man bei Mintal auch noch berücksichtigen sollte:
a) als Mintal seine besten Leistungen brachte, spielte der Club ein ganz anderes System, das vor allem durch Angriffe über die Außen gekennzeichnet war: rechts Saenko bzw. ein offensiver Domi Reinhardt, links immer wieder Pinola. Klassisch das Spiel gegen Alkmaar: der Nürnberger Spieler überläuft die Verteidigung, dringt in den Strafraum ein, zieht die Verteidigung nach außen und den Torhüter an den kurzen Pfosten, Rückpass auf die 16er Linie, wo Mintal steht, Tor.
Aber: wir haben solche Außen im Moment nicht. Judt ist defensiv soweit gereift, dass uns sein Fehlen schmerzlich bewusst wurde, aber offensiv schiebt er weniger an als Pinola. Hegeler bzw. Ekici ziehen lieber in die Mitte als über die Außen davon und das ist ja auch in Ordnung so, man kann Spielern ja nichts überstülpen und so deren Stärken schwächen; Frantz ist ein wunderbarer Kämpfer, aber eben auch ein anderer Spieler als z. B. ein Saenko. Hecking lässt im Moment ein System spielen, das den Spielern, die der Club hat, entspricht und das sie, die Ergebnisse und auch die Spiele sprechen für sich, gut und überzeugend ausfüllen können. Aber ein System, das einen Spielertyp Mintal nicht optimal unterstützt.
b) Wenn man Mintal von Anfang an spielen ließe, müsste man jemand anderen aus dem offensiven Mittelfeld nehmen. Wen? Man möge versuchen, meinen Gedankengang zu verstehen, ehe man Zeter und Mordio schreit, aber positionell und konzeptionell käme eigentlich nur Gündogan in Frage, denn die Außen müssten bei einem Spieler Mintal eher gestärkt als geschwächt werden. Den Spieler des Jahres (laut Clubfans-United Umfrage) also draußen lassen? Oder die doppelte Sechs, mit der wir noch am besten gefahren sind, d. i. z. B. Simons und Cohen zur einfachen machen? Hierzu möchte ich auf das zurückgreifen, was Ronald Reng in seiner, ganz am Rande – überaus empfehlenswerten – Enke-Biographie, zur Mittelklasse des deutschen Bundesliga-Fußballs geschrieben hat, in die der Club ja aufsteigen möchte und wohl auch mittelfristig kann. Für Vereine dieser Kategorie ist es fundamental, defensiv diszipliniert zu agieren und daraus dann ihr Spiel zu entwickeln und es dem Gegner durch Disziplin auch aufzuzwingen. Aktiv das Spiel zu machen, das bleibt der Oberklasse des BuLi-Fußballs vorbehalten, deshalb ist der Sprung von Platz 8 auf Platz 6 ja auch so schwer (ich rede hier nicht von Eintagsfliegen). Insofern führte eine zu offensive Ausrichtung wohl am Ende des Tages zum Abstieg – vom Gegner vielleicht oft belobt (aber insgeheim belächelt).
c) Mintal gehört zu Nürnbergs Top-Verdienern – und blockiert somit Geld für andere, da man einen Euro nunmal nur einmal ausgeben kann. Das ist ein nüchtern festzustellender Fakt. Für einen bloßen Auswechselspieler ist das für ihn auszugebende Geld aber einfach zu viel.
d) Warum sollte sich ein Spieler das Ende seiner aktiven Karriere dadurch vermiesen lassen, dass er das Risiko eingeht, eine (hoffentlich) rundum gute Zeit bei einem Verein dadurch zu verschlechtern, dass er selbst miese Gefühle ob des sportlichen Status entwickelt und womöglich noch von den Finanzkontrolleuren, deren Aufgabe die Zahlen sind und nicht der Ruhm, dumm angegangen wird? Dieses Risiko besteht auch seitens der Fans, deren Gedächtnis in der Regel doch arg flüchtig ist, wenn es mal wirklich und partout nicht läuft. Dann langen einige miese Spiele als Einwechselspieler und das ehemalige Idol mutiert zum “Scheiß-Millionär”, dessen Bus man mal eben blockiert.
Lange Rede kurzer Sinn:
1. Aus diversen Gründen kann es keine Vertragsverlängerung mit Mintal zu den jetzigen Konditionen geben.
2. Dem Sportsmann Mintal wünsche ich ein interessantes Angebot und einen Karriereausklang wie gewünscht.
3. Uns allen wünsche ich, dass das Thema weiterhin sauber und professionell gehandhabt wird, so dass wir einen Marek Mintal nach Beendigung seiner Karriere in einer anderen Funktion beim Club sehen und von seiner Arbeit auch fürderhin profitieren können.
Bisschen spät, aber von Herzen: Dank an die Macher und Autoren des Blogs und alles erdenklich Gute den Machern, Autoren und Kommentatoren für 2011!
Das war insgesamt rekordverdächtig, dein Kommentar! 🙂 Aber inhaltlich sehr tiefgehend und gut! Umso lieber gebe ich auch an der Stelle noch mal den Dank zurück und freue mich natürlich, wenn man sich hier wohl fühlt und gut informiert dazu.
Causa Galasek – Eine sicher ganz interessante Sache sogar. Fakt war, dass Galasek mit der beste Spieler war, der je beim Club gespielt hat. Sein Anteil am Pokalsieg und dieser Fabelsaison mag ich mal so hoch einstufen, dass es ohne ihn gar nicht möglich gewesen wäre – sicher nicht allein sein Verdienst, aber ohne ihn nicht denkbar. Fakt ist aber auch, dass gerade auch die Doppelbelastung an seinen Kräften dann so zehrten, dass sein Körper nicht mehr mitmachte. Galasek war in der Abstiegssaison auch einer der Gründe, warum es nicht mehr lief. Er wirkte einfach platt.
Als der Abstieg feststand, hatte Galasek einen (bei Abschluss zu Recht) hochdotierten Vertrag und der lief aus durch den Abstieg. Nun stand Bader vor der Wahl ihm einen neuen Vertrag anzubieten, der aber – gerade wegen Abstieg, aber auch wegen der nicht mehr vorhersehbaren Leistung (kommt er wieder in Form oder nicht?) stark Leistungs-abhängig und deutlich reduziert hätte ausfallen müssen. Das wollte (oder traute man sich) nicht, einem so verdienten Spieler einen Vertrag anzubieten, der deutlich unter seinem Alt-Vertrag stand.
Nun kam es, wie es kam. Jeder wusste, dass Galasek keinen Vertrag mehr haben wird, wenn das Spiel verloren geht. Das Spiel ging verloren, es sollte ein Schnitt gemacht werden. Eine Verlängerung in Liga 2 stand nie zur Debatte. Nur Galasek selbst brachte das plötzlich auf den Tisch, als er nach dem Abstiegsspiel seine Treue zu Nürnberg schwor und versicherte, er würde den Karren wieder mit aus dem Dreck ziehen – eine Aussage, die alle in die Bredouille brachte, denn eigentlich war jeder von Abschied ausgegangen. Heikel.
Nun kann man Bader da eines vorwerfen, das Spiel mit den Medien damals noch nicht so drauf gehabt zu haben. Er hätte wohl damals viel öffentlichkeitswirksamer (und noch vor Galasek) von sich geben müssen, dass man nicht verlängern würde und ihn quasi ins Altenteil loben. So wie man das heute eben mit Mintal machen will, ganz behutsam und respektvoll, aber auch unmissverständlich. In der Sache war die Trennung von Galasek unvermeidlich, auch wenn er in Gladbach noch einmal eine gute Halbserie hinlegen konnte. Sportlich und vereinsstrategisch ist da nix auszusetzen.
Nun könnte man anmahnen, dass man ihm dann wenigstens einen Vertrag im Verein anbieten hätte sollen, aber auch da schätze ich mal, überschätzt man das Budget des Vereins. Man kann nicht beliebig viele Spieler irgendwelche Pöstchen vermachen. Die meisten arbeiten doch eher sogar als Praktikanten (gerade im Pressebereich), weil man sparen will. Galasek war zwar ein toller Spieler, aber eben auch nur kurz da. Da hätte man ganz andere Spieler eher einbinden sollen, ein Eckstein & Co., aber das war nun wirklich nicht Baders Zeit. Mintal ist aber Baders Ära, und da will er nichts auslassen, um DEN Spieler des Club der letzten Jahre (neben Pinola und Wolf) einen goldenen Abgang und eine Zukunft zu verschaffen.
Jeder lernt dazu, auch Bader, aber so pauschal und einfach, wie es sich manche gern machen würden, ist es leider nicht…
So, wie Du es schilderst, deckt sich das auch perfekt mit den offiziellen Verlautbarungen. Man hätte ja das Gehalt mindestens halbieren müssen, um noch einmal zu verlängern – auch nach den zuletzt eher mäßigen Leistungen – denn was für ein Geschrei wäre das gewesen, wenn man hochdotiert verlängert hätte und Gala hätte zu keiner Form mehr gefunden. Dann hätte man Bader erst recht an die Wand genagelt.
Aber einen derart großen Rückschritt wollte man wohl einerseits nicht anbieten (das wäre Mangel an Respekt und käme ja einer Beleidigung gleich) und andererseits glaube ich auch nicht, dass Gala das akzeptiert hätte. Erst nach vollendeten Tatsachen dämmerte ihm wohl, dass es ja auch sein Vorschlag hätte sein können, sich zu einem – sagen wir durchschnittlichem – Gehalt anzubieten. Bader konnte das so nicht anbieten (siehe Respekt).
Apropos Einstellung:
🙂 das ist ausnehmend freundlich von Gündogan, aber vielleicht bringt ihn bis noch sein Berater darauf, dass der Anteil bei einem Wechsel, der in die Tasche des Spielers also seine eigene wandert (Handgeld genannt) wesentlich höher ist, wenn der neue Verein an den alten keine Ablöse zahlen muß. Daher bin ich da sehr gespannt…
Ich denke schon, dass sich Illy dessen bereits jetzt sehr bewusst ist – umso mehr schätze ich die Aussage, auch wenn darin auch ein gewisses Maß an taktischem Kalkül inne wohnen mag (bspw. um das Angebot von Bader auch gleich noch mal etwas aufzurunden). Wenn er tatsächlich so ein Talent ist, wie man vermutet, wird er bei einem Transfer nicht mehr feilschen müssen nach weiteren 2 Jahren, sondern die Bedingungen diktieren können. Das macht den Unterschied aus zu Spielern aus dem Bundesliga-Mittelmaß.
@ Alexander: Ja, hab ich gestern auch gelesen und mir gedacht, dass es immer gut ist, wenn ein Fußballer etwas im Kopf und einen guten Charakter hat. Der Junge sammelt Sympatiepunkte ohne Ende…..
….vielleicht das wichtigste Vermächtnis von MOe an den Club
Wenn man schon Trainern dankt, ist hier ist auch mal ein Dank an Lothar Matthäus angebracht. 😉 Dafür dass er
a) bisher nicht Trainer in Nürnberg geworden ist und
b) den Wechsel von Cohen nach Nürnberg angeschoben hat. Denn ich traue dem Jungen einiges zu und sehe in ihm im besten Falle das wesentliche Verbindungsglied zwischen defensivem und offensivem Mittelfeld, da Simons im Defensivbereich in meinen Augen zwar mit Galasek durchaus vergleichbar, offensiv aber deutlich schwächer ist.
Wenn man dem 11Freunde-Interview neulich Glauben schenken mag, war die Person MOe in der Tat ganz maßgeblich wichtig für den Transfer.
http://www.11freunde.de/bundesligen/135234/ich_lebe_in_zwei_welten
Anders bei Loddar, der da nur quasi die positive Referenz bildete.
@ Juwe: Nun mach mal unsern Illy nicht Geld-Geil, bis jetzt kann man ihm jedenfalls nichts schlechtes Nachsagen.
@ Hörnla: Klasse Kommentar.
Man könnte noch anführen das Marek Mintal als Publikumsliebling, in vielen Foren auch dazu mißbraucht wird, um miese Stimmung gegen Martin Bader zu schürren.
Dabei ist Martin Bader wirklich der letzte, den man im Fall Mintal einen Vorwurf machen könnte.
Nein Illy halte ich auch für charakterlich einwandfrei, ein toller Junge, aber er lebt ja nicht in einem persönlichem Microkosmos oder einer ehrenhaften Seifeblase. Das Profifußballumfeld mit seinen “Beratern, die ja immer partizipieren” und die üblichen Geschäftspraktiken in dem Business, mich würde es freuen, wenn es solch positive ehrenhafte Beispiel noch gibt, halte es aber ehrlich gesagt für eher unrealistisch. Bin außerordentlich gespannt ob er beim FCN einen neuen Vertrag unterschreibt, wenn er ja sowieso wechseln wird, ich glaubs nicht!
@Hörnla: Große Zustimmung für Deinen langen Kommentar, der eigentlich schon fast ein eigener Artikel war.
Und was die Causa Galasek angeht:
Solche Missverständnisse sind eigentlich immer auf mangelnde Kommunikation zurückzuführen, wobei meist noch nicht mal eindeutig ein Schwarzer Peter verteilt werden kann, und hinterher sind dann alle Beteiligten irgendwie unglücklich. Ich hoffe mal, dass alle daraus gelernt haben und es in Sachen Andi Wolf nicht auch wieder Missverständnisse gibt. Unser Kapitän hat ja unlängst durchblicken lassen, dass er sich durchaus auch einen Wechsel vorstellen könnte, wenn das Angebot nicht stimmt. Es ist gerade ein denkbar schlechter Zeitpunkt, auf diese Art Unruhe in die Mannschaft zu bringen, wobei es dafür natürlich selten einen guten Zeitpunkt gibt.
Ein gutes Beispiel! Wie hätte man da vorgehen sollen oder: Wie muss man jetzt vorgehen? Das kann man ja mal vorher hier diskutieren und später sehen, ob man recht gehabt hat.
Das war mir gleich einen Artikel wert: http://www.clubfans-united.de/2011/01/06/vertragsverlaengerung-von-wolf-ein-kommentar/
Und wieder einmal bedauere ich, so fern der Heimat zu wohnen:
http://www.fussball-kultur.org/termine/termine-der-akademie/termine-der-akademie/news/die-fussball-matrix-auf-der-suche-nach-dem-perfekten-spiel-1.html
Bei der Besetzung erträgt man dann doch die Moderatorin etwas leichter. Vielleicht hat ja jemand hier Zeit und Muße und berichtet anschließend davon?
Die Lesung zum Buch von Biermann war jedenfalls schon mal super interessant!