Die Reifeprüfung?

Über das Spiel am Ostersonntag ist im Prinzip mit den Zeilen “Nix passiert” alles gesagt. Die einen konnten nicht, die anderen wollten nicht, und die Frage, was gewesen wäre, wenn die einen hätten wollen müssen, blieb mangels Quäntchen Glück (Außenpfosten, Schiri-Entscheidungen) und vor allem mangels eigener Chancen unbeantwortet. Mainz wollte einen Punkt und bekam einen Punkt: Matchplan erfüllt. Und fast hätte es sogar mehr gegeben, denn die klaren Chancen hatte Mainz, auch wenn sie am Ende auch an einer Hand abzuzählen waren, Statistik hin oder her.

Tuchel nach dem Spiel sinngemäß: “Wer die ganze Saison durchgehend auf den ersten fünf Plätzen steht, hat eben die Berechtigung im Europapokal zu spielen” – Das ist korrekt, aber ob das Spiel am Sonntag einen Aufschluss gegeben hat, wer denn tatsächlich auch reif für Europa wäre, beantwortete Tuchels Aussage nicht.

Beide Mannschaften standen defensiv gut, das war in Anbetracht der Bedeutung des Spiels durchaus höherer Aufgaben würdig. Aber zu welchem Preis? Im Prinzip zum Preis der totalen Neutralisierung. Sicher hat Mainz auf den ersten Blick mehr vom Remis als der Club, hätte aber mit einem Sieg nicht nur gegenüber dem Club den Sack praktisch schon zumachen können, sondern auch mit Blick auf Hamburg, die trotz der 6 Punkte Rückstand sich noch Hoffnungen machen werden. Wie Hecking orakelte nach dem Spiel: Die letzten drei Spieltage gab es schon so manche turbulente Wendung. Und soweit hergeholt ist das alles auch nicht. Nur mal angenommen, der FCN verliert (wie allerseits erwartet) in Dortmund, so ist im Rhein-Main-Derby zwischen Mainz und Frankfurt der Handkäs noch nicht gegessen – oder anders: Mainz hat gegen Frankfurt meistens das nachsehen und ein Remis war zuletzt immer das höchste der Gefühle.

Verliert Mainz also gegen die SGE (die für sowas auch immer gut sind…), und gewinnt der HSV sein Heimspiel gegen Freiburg deutlich, steht man mit 50 Punkten (Mainz), 48 (FCN) und 46 (HSV) fast schon in Schlagdistanz. Mainz dann auf Schalke, Hamburg in Leverkusen und Nürnberg gegen Hoffenheim bieten viel Raum für Spannung. Schalke wieder mit B-Elf zur zweiten Pleite vor eigenem Publikum? Es bliebe ja aber auch ein Remis zur Ehrenrettung. Und verliert Leverkusen die Nerven und kann Nürnberg die lust- und führungslos wirkenden Hoffenheimer schlagen? Schon wäre man bei 51 (FCN), 51 (Mainz) und 49 (HSV) auf der Zielgeraden. Und dass am letzten Spieltag generell auch Pferde vor der Apotheke kotzen können, ist hinreichend bekannt.

Mainz hätte also gut daran getan, die Chance beim Schopfe zu packen und in Nürnberg auf Sieg zu spielen. Doch man entschied sich für den Spatz in der Hand, den man durch eine solide Defensive sicherte. Mag man am Ende vielleicht mit dem Punkt das Ziel erreichen, so könnte man auch genau dieser verpassten Chance nachtrauern.

Der Club wiederum sollte die Rhetorik unterlassen (was man auch nicht tat und tut), sich über zu defensive Taktiken zu beschweren, ist dies im Wesentlichen ja mit einer der Säulen des eigenen Erfolgs diese Saison. Auch wird man die Startelf mit zwei rein defensiven Sechsern (Cohen und Simons) und einem zwar als Stürmer aufgestellten, so aber noch nie wirklich in Erscheinung getretenen Hegeler, nicht gerade als mutige Offensiv-Variante verkaufen können. Bleibt also am Ende die Frage: Wer hat auch taktisch die klügere und reifere Entscheidung getroffen? Der Jäger, der bei seiner vielleicht einzigen Chance den Gejagten direkt zu stellen, durch zögerliches wenig mutiges Handeln den Vorsprung ließ, oder doch der Gejagte, der aber aus der komfortablen Position ‘einen Vorteil zu haben’, die Gelegenheit beim Schopfe hätte packen können (und mit dem Wissen, auch beim Scheitern noch immer das leichtere Restprogramm zu haben).

Nach der Saison werden wir wissen, wer in diesem Spiel am Ende seine faktische Europapokal-Reifeprüfung bestanden hat – da helfen vielleicht auch keine Belege eines Top-5-Platzes von Spieltag 1 bis 33. Was allerdings dem Beobachter nicht verborgen blieb war, dass beide Teams nicht in der Lage waren, einen destruktiven Gegner zu stellen und ernsthaft in Bedrängnis zu bringen. Das bräuchte man aber wohl, um am internationalen Parkett eine Chance zu haben – denn die Gegner werden entweder sehr defensiv auftreten, da klare Außenseiter, oder qualitativ so gut besetzt sein, dass sie vor eigenem Publikum zu gewinnen wissen und auswärts nichts anbrennen lassen können. Aber man wächst ja vielleicht auch an seinen Aufgaben.

“Nix passiert”, schrieben wir also gestern. Zu Recht, blickt man nach vorne. Und doch hätte viel passieren können. Auf dem Papier hat Mainz alles richtig gemacht, auch mit Blick auf das Restprogramm. Sah man kurz in Heckings Augen auf der PK, hätte man meinen können, dass die Rolle des Jagenden dem Club besser steht und man Mainz in eine kleine Falle laufen ließ, die erst am Ende zuschnappt. Manchmal bedeutet Reife, seine eigenen (auch mentale) Stärken und Schwächen richtig einzuschätzen. Und wer sagt denn, dass wir mit Dortmund und Hannover nicht auf zwei mal 22 wacklige Knie stoßen? – So man muss sich am Ende doch vergegenwärtigen, wer im Spiel gegen Mainz wirklich auf ein Remis angewiesen war: Der FCN hatte so viel mehr zu verlieren mit Blick auf Platz 5 als Mainz …

Mainz hat es gegen Frankfurt selbst in der Hand, dem zu entkommen – aber das kann auch eine Bürde sein. Sogar zwei Niederlagen beider Mannschaften würden am letzten Spieltag das Fernduell bieten. Und dann ist da ja noch der HSV auf der Lauer – könnte also großes Kino werden. Und es ist gefühlt immer entspannter, wenn man dabei am Ende was gewinnen als was verlieren kann.

 


 
Bild: Alfa Romeo Spider Duetto cola larga, 1967 – Urheber: Mgloor –
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22 Gedanken zu „Die Reifeprüfung?

  • 26.04.2011 um 14:36 Uhr
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    Genau, das ist das Motte für den Rest der Saison: Ganz entspannt jagen.

    • 26.04.2011 um 14:50 Uhr
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      Claus: Genau, das ist das Motte für den Rest der Saison: Ganz entspannt jagen.

      so isses! Und wenn es nicht reicht, kann angesichts des Restprogramms (Auswärtsspiele beim 1. und 3.) keiner ernsthaft enttäuscht sein, es wäre ja auch nicht zu erwarten gewesen.

      Reicht es doch, ist es angesichts des Restprogramms (deja vu) ohnehin eine Sensation (auch wenn ich trotzdem immer noch nicht verstehe, was Hannover eigentlich das ganze Jahr da oben macht….).

  • 26.04.2011 um 15:19 Uhr
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    Und während wir uns so schön freuen und genießen, sehen andere die “Luft raus” und bringen zum Saisonausklang mal wieder die »BADER RAUS!«-Rhetorik in Stellung – unfassbar. Oder um einen Kommentar bei Facebook zu zitieren:

    “Unglaublich wie man in der derzeitigen Situation von “Luft raus” sprechen kann und man es nicht sein lassen kann, auf MB einzuhacken. Undank ist der Welten Lohn sagt man da so schön….mann mann mann…”

    Der Ausgangsartikel: »Einmal Bader und zurück«

    Bevor ich die Fortsetzung gelesen habe, halte ich mich aber mit einer inhaltlichen Auseinandersetzung zurück. Vielleicht kriegt der Autor ja noch eine Wendung hin, die ich aktuell aber nicht einmal vermuten kann …

    • 26.04.2011 um 15:48 Uhr
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      Alexander | Clubfans United: Vielleicht kriegt der Autor ja noch eine Wendung hin, die ich aktuell aber nicht einmal vermuten kann …

      Fällt schwer, an eine versöhnliche Wendung zu glauben, wenn die Grundstimmung eher negativ ausfällt. Bisher klingt das eher wie “der Erfolg ist Zufall, der Misserfolg ist Baders Schuld” Ob’s so gewollt ist, weiß ich nicht, so kommt es jedenfalls an, bei der selbsternannten neutralen Betrachtung…. Unsäglich!

  • 26.04.2011 um 15:55 Uhr
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    …kann man dann mit “Einmal Bader und bloß nicht zurück” beantworten, wenn auch die Fortsetzung (mir graut schon…) danach verlangt.

  • 26.04.2011 um 16:42 Uhr
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    btw: Wir brauchen dringend hier einen Smilie der einen Vogel zeigt! Da bleibt einen die Spucke weg, was im Internet alles sal_bader_t wird. Huch, da ist ja der “Bader” drin! 😀

    Warum werden denn da wieder die Verpflichtungen einseitig als Baders Schuld abgetan!? Meiner Meinung nach geht der Trainer als sportlicher Chef auf den Manager (kaufmännischer Chef) zu und sagt “Ich brauch einen Stürmer!” Dann sucht der Manager welche aus, die sich finanzieren lassen und dann wird der auf alleiniges Geheiß des Trainers und/oder in Zusammenarbeit mit dem Manager eingestellt!
    Das u.a. Harry, Blazek und Koller Murksverpflichtungen waren, konnte doch keiner VORHER ahnen! Mindestens auf dem Papier waren das echte Verstärkungen im vornherein. Und das zu einem gelungenen Transfer mehr als nur ein großer Geldbeutel gehört, das zeigen gerade Eindrucksvoll die VWBurger.

    Ach, ich habe eigentlich gar keine Lust, noch mehr zu diesem totalen Unsinn zu schreiben… (denkt Euch einen Smilie der einen Vogel zeigt)
    Und außerdem noch allen ein herzliches, nachösterliches “Bader raus”! 😀

  • 26.04.2011 um 16:55 Uhr
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    Neenee, ich warte schon mit Spannung auf den 2. Teil. Vor allem bin ich gespannt, wie man die Transfers Diekmeier, Cohan, Wollscheid und Chandler (um jetzt nur einige zu nennen) dem Martin Bader zum Nachteil gereichen lässt. Die Leihverträge sind alleine seine Schuld, das ist eh klar.

    • 26.04.2011 um 17:03 Uhr
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      Claus:
      Neenee, ich warte schon mit Spannung auf den 2. Teil. Vor allem bin ich gespannt, wie man die Transfers Diekmeier, Cohan, Wollscheid und Chandler (um jetzt nur einige zu nennen) dem Martin Bader zum Nachteil gereichen lässt. Die Leihverträge sind alleine seine Schuld, das ist eh klar

      Ich hatte bei dem Artikel damals »Schwarmintelligenz« schon arge Bauchschmerzen, wohin die Rhetorik führt. Aber da dachte ich mir: Was soll’s. Der Ansatz war ja interessant, aber die Synthese …

      Aber bei dem jetzt kann ich die Klappe nicht halten, fürchte ich.

  • 26.04.2011 um 17:17 Uhr
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    @ Alexander: Ist ja beides von der selben Pappnase. Vielleicht verwechselt der ja Schwarmintelligenz mit Schwarmignoranz? Massenphänomenen zu huldigen hat schon in der Vergangenheit in den Abgrund geführt……

    Nein das schreit nach “Klappe nicht halten”. Freu mich schon drauf 😉

  • 26.04.2011 um 20:45 Uhr
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    Ich habe mich gerade durch die Kommentare gekämpft, und bis auf wenige Ausnahmen sind die durchaus lesbar (mein Liebling: Jochen Grill, der es sehr schön auf den Punkt bringt), wengleich so einige Kommentare (Rainer Göllert, auch ein “Experte”) dann doch sehr fragwürdiges Hintergrundwissen (Ablöse und Gehalt für Harry) vorgaukeln.
    Ich persönlich habe aus gutem Grund bei CEF schon lange nicht mehr reingeschaut. Ich frage mich, ob das hier nicht zuviel Werbung für sie ist, oder ob man sie nicht besser (wie viele andere auch) einfach ignoriert.

    • 27.04.2011 um 08:01 Uhr
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      Claus: Ich frage mich, ob das hier nicht zuviel Werbung für sie ist, oder ob man sie nicht besser (wie viele andere auch) einfach ignoriert.

      Ich versuche immer offen zu bleiben und auch eine gewisse Bandbreite der Fanmeinungen darzustellen, auch wenn die dann nicht meine Meinung wiederspiegeln. Aber im Prinzip hast du Recht und wir führen die Diskussion an geeigneter Stelle weiter.

  • 26.04.2011 um 21:07 Uhr
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    12k€ Strafe für Klabautern wegen Bierbecherwurf

    Den Glubb kosteten Verfehlungen (“schnelle” = schlampige? Recherche):
    – Feuerzeugwurf 3k€
    – ca. 100k€ für Verfehlungen der Fans beim HSV und in Bochum
    – 3k€ für Dieter Heckings Ball wegschlagen
    – 50k€ für Ausschreitungen in Bankfurt

    Paulis Fans haben den Linienrichter mit Bierbecher getroffen, dann wurde es sehr teuer (Heimspiel fanfrei). Aber das Urteil dann doch wieder komisch revidiert: 50km Weg von daheim ein Heimspiel…

    Wo ist denn da die Linie auffindbar? Kann das jemand erklären!? Mir scheinen 12k€ für einen Fastabbruch sehr billig zu sein.

  • 27.04.2011 um 00:20 Uhr
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    Bzgl. Artikel des CEF:
    Dafür das da “Experten” am Werk sind, erschliesst sich mir die primäre Zielrichtung des Geschriebenen nicht ganz. Aber so ist das mit Expertentexten, die auf Nicht- Experten treffen.

    Es ist zwar schön und gut, dass die jüngste Clubhistorie bedient wird, aber um was genau darzulegen?! Das bleibt mir zu obskur. Zwar hebt man hervor, dass ein Herr Bader auch verantwortlich ist, aber für das, was mies lief ist er verantwortlicher.

    Da is schon gehörig viel fränkischer Pessimismus am Werk, um die momentane positive Vereinssituation mit den Turbulenzen der Vergangenheit zu kommentieren.

    • 27.04.2011 um 07:53 Uhr
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      Passivsportler: Zwar hebt man hervor, dass ein Herr Bader auch verantwortlich ist, aber für das, was mies lief ist er verantwortlicher.

      Das hast du gut auf den Punkt gebracht!

  • 27.04.2011 um 10:01 Uhr
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    Hm, die BLÖD kennt also mal wieder schon die genauen Summen vom Gündogantransfer. Man fragt sich woher? Vielleicht vom CEF? 😉
    Und der TAZ entnehme ich, dass die Hertha an Andi Wolf interessiert wäre (wenn auch nicht bestätigt)?

  • 27.04.2011 um 10:11 Uhr
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    laut Bild Zeitung wechselt Gündogan für 5 mio. € zu Dortmund. Wenn diese Summe stimmt, ist es ein schlechter Witz…

  • 27.04.2011 um 10:53 Uhr
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    Also wenn das stimmt mit den 5 Millionen wäre das auch für mein Empfinden deutlich zu wenig. Warten wir es ab.

    Der CEF-Artikel ist tatsächlich bedenklich. Vor Allem die Tatsache, dass man den Kluge-Transfer und die Verpflichtung von Abardornado als sinnlos bezeichnet, hat bei mir schon starkes Kopfschütteln hervorgerufen!

    Aber auch der NZ-Artikel von Gestern hat mich ein bisschen genervt. Warum muss man in einer so geilen Saison Aussagen von Hegeler als altklug, von Ekici als inhaltlich ziemlich daneben bezeichnen und Schäfer den Stempel eines Hobbypsychologen aufdrücken?! Für mich schlechter Stil, erst recht weil die Aussagen eben weder altklug noch inhaltlich daneben waren!
    Und dann wird im gleichen Blatt heute subtil zurück gerudert…

    Na ja, vielleciht hab ich den ersten Artikel auch einfach nur falsch verstanden. 😉

    • 27.04.2011 um 11:14 Uhr
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      Roland: Also wenn das stimmt mit den 5 Millionen wäre das auch für mein Empfinden deutlich zu wenig. Warten wir es ab.

      Hmm. 6 – 7 wären realistisch gewesen, aber man muss auch sehen, dass uns die Verletzung, nach der er nicht wieder so richtig auf die Beine gekommen ist, bestimmt 1 Mio gekostet hat – mindestens. Und dann bleiben halt nur noch die 5 übrig, auf Grund des Restrisikos und der eher bescheidenen Rückrunde. Trotzdem nervt mich dieser latente Beigeschmack, ständig von anderen übervorteilt zu werden. Und noch mehr nervt mich diese in den Raum gestellte Summe im Hinblick auf die Wirkung in der Fanszene. Danke, BLÖD!

  • 27.04.2011 um 11:50 Uhr
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    Ich lese gerade vom nächsten Trainerwechsel in Köln.

    Irgendwie haben wir zur Zeit die reinsten Luxusprobleme.

  • 27.04.2011 um 12:09 Uhr
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    Da hast Du wieder völlig recht! Ich habe mir gerade eine Artikel über die Lage des KSCs angeschaut: Au weia, geht es uns als Glubbfans so richtig gut!

  • 27.04.2011 um 12:24 Uhr
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    Sollte es tatsächlich bei den 5 Mio. für Gündi bleiben, dann sind da mit Sicherheit noch Nachzahlungen unter bestimmten Bedingungen im Vertrag vereinbart (wurde bei BLÖD ja auch schon erwähnt).

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