Defensiv-Puzzle
Als am vergangenen Donnerstag die Verpflichtung von Dave Bulthuis bekanntgeben wurde, ging die Meldung mit der Aussage einher, dass die Defensive des FCN für die kommende Saison nun stehen würde. Für den Beobachter der Szenerie hieß das: Ab jetzt darf hemmungslos analysiert werden. Wie könnte der Defensivverbund aussehen und welche Stärken, welche Schwächen hat die Abwehr des Clubs.
Torwart: Der Zweikampf zwischen Raphael Schäfer und Patrick Rakovsky ist wiederholt ausgerufen worden. (Quelle 1, Quelle 2) Wie sehr diese Ankündigung in die Tat umgesetzt wird, hängt wohl auch von Valerien Ismaël ab. Schäfer, im Umfeld – ob zu Recht oder zu Unrecht, sei an dieser Stelle dahingestellt – immer wieder als Rädelsführer gegen vergangene Trainer identifiziert, wird sicherlich eine Degradierung nicht wortlos hinnehmen. Ob ein neuer Trainer sich derartigen Ballast aufladen will? Oder aber ist ein derartiger Neuanfang die einzige wirkliche Chance Rakovsky als dauerhaften Nachfolger zu etablieren?
Sollte der angepeilte direkte Wiederaufstieg nämlich gelingen wird Schäfer in der Rückkehrsaison 37 Jahre alt, selbst für Torhüter kein ganz frisches Alter. Wäre es an dieser Stelle dann eben nicht besser Rakovsky sofort ins Tor zu stellen, um dann mit einem mit mehr Profispielpraxis ausgestatteten Torwart in die Bundesliga zu starten? Vorbild für so eine Maßnahme wäre der 1. FC Köln, der nach dem Abstieg 2012, die bisherige Nummer 1 Michael Rensing, immerhin für gefühlte vier Minuten mal Oliver Kahns legitimer Nachfolger, ausbootete und stattdessen Talent Timo Horn installierte. (Quelle) Zwei Jahre später ist Köln wieder Bundesligist und Horn mit genug Erfahrung ausgestattet, dass man in Köln ohne Sorgen auf der Torwartposition in die Saison gehen kann.
Natürlich würde es nicht einer gewissen Ironie entbehren, wenn Raphael Schäfer gerade nach einer seiner stärksten Spielzeiten für den FCN seinen Stammplatz verlieren würde, doch der Keeper ist auf Grund seiner Schwäche bei hohen Bällen und seiner spielerischen ‘Limitiertheit’ nie unumstritten gewesen. Rakovsky lässt zumindest beim zweiten Aspekt Besserung erhoffen. Womöglich gibt Ismaels Wahl des Kapitäns Rückschlüsse auf seine Entscheidung in Sachen Torwart. Egal wie sie ausfällt, im Tor scheint der FCN für Zweitligaverhältnisse so gut besetzt, dass er sich den Luxus strategischer Entscheidungen erlauben kann. Sicher scheint hier nur, dass Benjamin Uphoff die klare Nummer Drei ist.
Linksverteidiger: Völlige Neubesetzung auf links. So lässt sich die Umstellung auf dieser Abwehrseite zusammenfassen. Dave Bulthuis und Cristian Ramirez sind die beiden Spieler, die auf dieser Abwehrseite zunächst einmal eingeplant sind. Beide kennt der geneigte Zuschauer in Nürnberg maximal vom Hörensagen, kann also wenig dazu sagen. Dabei stehen beide Spieler schon phänotypisch für unterschiedliche Ausrichtungen. Der 1,90m große voll tätowierte Holländer Bulthuis sieht aus wie ein Verteidiger aus den Achtzigern: Groß, bullig und etwas ungelenk. Diesen Eindruck bestätigen holländische Quellen, betonen aber vor allem wegen seiner Athletik auch die Zweitligatauglichkeit des 23-Jährigen. Bulthuis könnte wohl auch in der Innenverteidigung spielen, wo seine Kopfballstärke auch noch besser zur Geltung kommen könnte. In Utrecht konnte der gebürtige Nordholländer zusätzlich im Schnitt in jedem zehnten Spiel treffen, dabei oft nach Standards (Quelle 1 (ab 0:12), Quelle 2 (ab 2:34)) , wobei er auch nicht immer erfolgreich war (Quelle (ab 0:40)).
Cristian Ramirez dagegen kommt per Leihe von Fortuna Düsseldorf und sieht mit seinen 1,73 m wie der krasse Gegenentwurf zu Bulthuis aus. Von der FIFA als ein „Star der Zukunft“ vorgestellt (Quelle), war der 19-Jährige Teil des vorläufigen WM-Kaders von Ecuador. Und auch wenn er am Ende nicht mit nach Brasilien fuhr, zeigt sich allein daran die Wertschätzung, die der junge Mann in seiner Heimat genießt. Ähnliche Wertschätzung widerfuhr Ramirez durch Borussia Dortmund, wo er bereits im Alter von 16 ein Probetraining absolvierte. (Quelle) Zweifel an „Ecuadors größtem Talent überhaupt“ machten sich unter den Club-Anhängern jedoch breit: Warum leiht der FCN einen Spieler aus Düsseldorf aus, wo die Fortuna doch in der vergangenen Saison lange Zeit eher im hinteren Tabellenbereich der 2. Bundesliga agierte? Noch dazu einen Spieler, der in den siebzehn Monaten in Düsseldorf nur zu 16 Einsätzen für die Fortuna kam? Vieles spricht also dafür, dass Ramirez ein gewisses Wagnis ist – oder anders formuluert: Jung und entwicklungsfähig (Quelle) Was auf Deutsch nichts anderes heißt wie: Kann klappen, muss aber nicht.
Deshalb dürfte zunächst einmal Dave Bulthuis als Favorit auf den Linksverteidigerposten in die Vorbereitung gehen. Der Niederländer bringt die Erfahrung von 80 Erstligaspielen in Holland mit und ist wohl auch weiter in seiner fußballerischen Entwicklung. Die Option Javier Pinola steht natürlich auch weiterhin als Linksverteidiger zur Verfügung, das argentinische Urgestein sieht sich aber inzwischen eher als Innenverteidiger. (Quelle)
Innenverteidiger: Javier Pinola sieht sich nicht nur selbst als Innenverteidiger, auf Grund der etwas gesunkenen Grundschnelligkeit, aber einer immer noch vorhandenen Zweikampfstärke, dürfte der 31-Jährige hier auch tatsächlich zum Einsatz kommen. Bei Pinola weiß jeder Nürnberger was er bekommt, nach sieben Jahren und 261 Pflichtspielen ist der Publikumsliebling wahrlich kein Unbekannter. Was das sein wird? Seltsame Frisuren (Quelle), harte Tacklings und viel Temperament. Der Argentinier dürfte als eine der zentralen Figuren bei der Mission Wiederaufstieg eingeplant sein. Anmerkung am Rande: Pinola ist die einzige der geplanten “Korsettstangen“, die auch wirklich trotz Abstieg geblieben ist. Er ist Integrationsfigur und Liebling der Massen. Sollte sich Ismaël gegen Schäfer im Tor entscheiden, könnte Pinola sogar als Mannschaftskapitän in Frage kommen. Auf Grund seines enormen Erfahrungsschatzes im deutschen Profifußball geht der Südamerikaner jedenfalls mit großem Vorsprung in die Vorbereitung.
Favorit auf den Platz in der Innenverteidigung neben Pinola dürfte der norwegische Neuzugang Even Hovland sein. Der 25-Jährige, vom Boulevard als „Abwehr-Bulle“ angekündigt (Quelle), bringt mit 1,90 ein Gardemaß für die Position mit. Neun Spiele auf europäischer Ebene mit dem Verein und vier Länderspiele für die Nationalmannschaft bedeutet, dass Hovland auch einige internationale Erfahrung hat und als norwegischer Pokalsieger und Meister zusätzlich auch eine gewisse Erfolgsbiografie. Rein optisch scheint Hovland die Art Spieler zu sein, die man in der Innenverteidigung in der Zweiten Liga braucht, nämlich eine echte Kante. Eine Kante, die zwei Probetrainings bei Manchester United absolvierte (Quelle) und 2012 ein Angebot vom damals aufstrebenden neureichen Verein Anzhi Machatschkala ausschlug (Quelle). Der ehemalige Weltklassestürmer Ole Gunnar Solskjaer, als Hovlands Trainer in Molde angekündigt (Foto), hielt große Stücke auf den Innenverteidiger, dem aus Norwegen große Zweikampf- und Kopfballstärke sowie eine ordentliche Spieleröffnung attestiert werden.
Geht man davon aus, dass Pinola und Hovland die Stamminnenverteidigung bilden sollen, haben andere mögliche Kandidaten, die im Abstiegsjahr auf dieser Position spielten, erst einmal das Nachsehen. Kandidaten für die Abwehrzentrale sind Niklas Stark und Ondrej Petrak aber dennoch. Beide kommen auch vor die Position(en?) vor den Innenverteidigern in Frage. Stark, der Kapitän der deutschen U19-Nationalmannschaft, ist sowas wie die personifizierte Hoffnung auf den Durchbruch eines „echten Clubberers“. Physisch stark, aggressiv und ballsicher wurde Stark vor knapp einem Jahr beschrieben (Quelle). In seiner ersten vollen Saison als Bundesligaspieler wirkte Stark aber oft noch überfordert, traf gegen Gladbach ins eigene Tor und musste noch viel Lehrgeld zahlen, zugleich war nicht zu übersehen, warum Stark zu Recht als besonders förderungswert gilt. Gut möglich also, dass ihm die Zweite Liga Möglichkeiten geben wird, sich auf etwas ‘niedrigerem Niveau’ besser zu entwickeln, um dann den nächsten Schritt gehen zu können. Doch sowohl in der Innenverteidigung als auch im defensiven Mittelfeld geht Stark erst einmal nicht als Favorit auf einen Stammplatz in die Vorbereitung.
Für das defensive Mittelfeld ist erst einmal – neben Jan Polak – Ondrej Petrak eingeplant (Quelle), auch wenn der tschechische U21-Nationalspieler auch als Innenverteidiger in Frage käme – immerhin absolvierte der 22-Jährige die meisten seiner elf Bundesligaeinsätze auf dieser Position und nur beim 1:0-Sieg in Augsburg durfte Petrak im defensiven Mittelfeld ran. Aber davon unabhängig, ob auf der “6” oder eine Station weiter hinten, der Tscheche könnte mit seiner Schnelligkeit und Zweikampfstärke zum Schlüsselspieler im Aufstiegskampf werden – eine Einschätzung, die im Übrigen auch Martin Bader teilt (Quelle). Es ist aber eben auch gut vorstellbar, dass Petrak zu einem späteren Zeitpunkt der Saison nach hinten rückt, sei es wegen Verletzungen oder weil Ismaël mehr Grundschnelligkeit in der Innenverteidigung haben möchte.
Zu den vier genannten Akteuren gesellen sich mit Martin Angha und Dave Bulthuis noch zwei Außenverteidiger, die theoretisch auch in der Innenverteidigung spielen können, sowie zwei Talente, die zunächst wohl eher in der U21 zum Einsatz kommen dürften. Zum einen handelt es sich um Manuel Bihr. Dem Schwaben wird für die U21 besonderer Wert als Eckpfeiler zugemessen (Quelle). Der 20-Jährige stand in der letzten Saison drei Mal im Kader der Profis und landete so im Dunstkreis der ersten Mannschaft. Offiziell als Zugang der ersten Mannschaft wurde dagegen Özgür Özdemir vorgestellt. Der 19-jährige Deutsch-Türke kommt aus der Jugend von Eintracht Frankfurt. Der türkische U19-Nationalspieler verbrachte einen großen Teil der vergangenen Saison verletzt (Quelle) und es bleibt abzuwarten, wie schnell sich der Defensivallrounder davon erholt. Schenkt man den Informationen der BILD Nürnberg Glauben (Quelle), so ist Özdemir als Perspektivspieler eingeplant und dürfte somit auch eher in der zweiten Mannschaft zum Einsatz kommen.
Betrachtet man diese Überlegungen, so ist – Stand Trainingsauftakt – anzunehmen, dass die Innenverteidigung aus dem Trio Pinola, Hovland, Petrak gebildet werden wird. Je nachdem, ob Petrak im defensiven Mittelfeld eingeplant ist, oder nicht, und welche Wertigkeit Valerien Ismaël der Schnelligkeit seiner Innenverteidiger beimisst. Ob sich weitere Akteure (v.a. aus dem Bereich der U21-Spieler) aufdrängen, wird die Vorbereitung zeigen, momentan zu erwarten scheint es nicht.
Rechtsverteidiger: Mit Chandler und Feulner haben zwei gestandene Bundesligaspieler den Verein verlassen, die beide auf der Rechtsverteidigerposition zahlreiche Bundesligaspiele absolviert hatten. Explizite Neuzugänge für die Position auf der rechten Defensivseite hat der Club nicht vermeldet, das heißt zu Beginn der Vorbereitung dürfte der Anwärter auf den Stammplatz als Rechtsverteidiger ganz klar einen Namen tragen: Martin Angha. Der hat insgesamt 14 Bundesligaspiele in der abgelaufenen Saison absolviert und dürfte daher die Pole Position im Kampf um die rechte defensive Außenbahn inne haben. Und das obwohl der 20-Jährige in der vergangenen Saison doch des öfteren den Beweis seiner Bundesligatauglichkeit schuldig blieb. Vielfach stand Angha in der Defensive schlecht und ließ immer wieder Angriffe über seine Seite zu. Dass der U21-Nationalspieler der Schweiz aber gut ausgebildet ist, daran besteht kein Zweifel. Immerhin wurde der Verteidiger zwischen 16 und 19 bei Arsenal in London geschult (Quelle) und debütierte in der ersten Mannschaft der Gunners, zwar “nur” 7 Minuten, die aber in der Champions League (Quelle). Anlagen wie Schnelligkeit und technische Beschlagenheit zeigte der Schweizer mit kongolesischem Vater durchaus, er hat aber viel Luft nach oben.
Angha hatte so viel Luft nach oben, dass er am Ende der letzten Saison sogar von einem Spieler aus der U23 bedrängt wurde: Tobias Pachonik. Schon unter Gertjan Verbeek saß der 19-Jährige erstmals auf der Bank, von Roger Prinzen wurde der Allgäuer dann sogar zweimal eingesetzt. Im Spiel gegen Hannover, als er 30 Minuten zum Einsatz kam und vom Kicker als bester Club-Spieler ausgezeichnet (Quelle) wurde, sowie gegen Schalke über 90 Minuten, konnte da als rechter Mittelfeldspieler das 1:4 und damit den Abstieg aber auch nicht verhindern. Seit 2010 ist Pachonik in Nürnberg, kam im Alter von 15 Jahren von der TSG Thannhausen an den Valznerweiher und durchlief seitdem alle Jugendmannschaften des FCN. Im April hatte Pachonik bereits für die U19 des DFB debütiert. Die meiste Zeit der Saison spielte der bayerische Schwabe allerdings für die zweite Mannschaft des FCN und kam hier auf den unterschiedlichsten Positionen in Verteidigung und Mittelfeld zum Einsatz. Das zeigt die Vielseitigkeit des Talents, das bei der U23 meistens aber auf den Außenverteidigerpositionen zum Einsatz kam, wenngleich er in den Jugendmannschaften noch meist Mittelfeldspieler war.
Der Club setzt explizit auf Angha und Pachonik als Rechtsverteidiger (Quelle). Nach der letzten Saison könnte sich das als Risiko erweisen, beide wirken offensiv stärker als defensiv, Angha offenbarte teilweise große taktische Schwächen. Es bleibt abzuwarten, ob diese in der Zweiten Bundesliga auch derart offenbar werden oder aber die Liga besser zum Lernen und Weiterentwickeln taugt. Angha dürfte auf Grund des Werdegangs als Verteidiger zunächst einmal die Nase vorn haben, darf sich aber seines Stammplatzes keineswegs sicher sein. Gedankenspiele mit Ondrej Petrak als Rechtsverteidiger, wie sie während der Rückrunde zum Teil angestellt wurden, scheinen momentan eher unrealistisch. Prognose: Es wird ein Duell zwischen Angha und Pachonik geben.
Gesamtschau: Die Abwehr steht. Mit Torhütern kommen dreizehn Spieler auf fünf Positionen, eine Tiefe, die zumindest dann ausreichen sollte, wenn nicht erneut eine Verletzungsmisere wie 2013/14 einschlägt. Über die Qualität der Spieler lässt sich momentan nur wenig sagen, da mit Hovland, Bulthuis, Ramirez, Özdemir, Pachonik und Bihr viele Unbekannte und Semi-Unbekannte in der Liste tummeln. Vorbereitung, Trainingslager und Testspiele werden mehr Aufschluss geben (müssen). Die Stand heute, also zu Beginn der Vorbereitung, zu erwartende Viererkette würde damit wohl Bulthuis, Hovland, Pinola und Angha lauten. Anghas Position ist wohl am meisten gefährdet. Aber die Vorbereitung kann aus Erfahrung hier noch viel ändern.
Momentan sieht es wohl so aus:
Abwehr „Depth Chart“
Torwart | Linksverteidiger | Innenverteidiger 1 | Innenverteidiger 2 | Rechtsverteidiger |
---|---|---|---|---|
Schäfer | Bulthuis | Pinola | Hovland | Angha |
Rakovsky | Ramirez | Petrak | Stark | Pachonik |
Uphoff | Özdemir | Bihr |
Danke Florian, super Zusammenfassung mit ausführlichster Recherche. Bin mal gespannt was sich Ismael dazu einfallen lässt. Er soll ja ein Taktik- und Stategiefuchs sein. Vielleicht kommt alles anders…bin mittlerweile vorsichtig was quellen betrifft…insbesondere Bild.
Sehr treffende Analyse, kann ich nur voll zustimmen.
Bezüglich der Torwart-Position:
Das ist in der Tat eine sehr schwierige Situation. Mit Köln und Rensing ist das auch nur sehr bedingt zu vergleichen – einen Torwart im mittleren Alter, der gerade mal eineinhalb Jahre im Verein ist, kann man in so einer Situation leicht absägen.
Bei nem höchst verdienten Spieler und langjährigem Kapitän, der kurz vorm Karriereende steht (er hat ja auch des öfteren schon angekündigt, dass er danach auch definitiv nicht weitermachen wird), und den man nach der aktiven Karriere in anderer Funktion im Verein behalten will (was meines Wissens ja auch definitiv geplant ist), ist das doch um einiges schwieriger.
Gute Argumente gibt es für beide Seiten.
Schäfer, den wohl die geringste Schuld am Abstieg trifft, der auch derjenige ist, der sich am meisten bis zum Ende gegen den Abstieg gewehrt hat und der auch als einer von ganz wenigen sofort alles dafür tun will, um den neuerlichen Betriebsunfall reparieren, ihn in seiner voraussichtlich letzten Saison zu degradieren, das wär irgendwie schon krass.
Andererseits ist es halt nun mal so, dass der Generationenwechsel im Tor kommen muss, dass vor allem der Wechsel zu einem “modernen” Torhüter vollzogen werden muss. Und hier ist halt die große Frage, mach ich das jetzt in der zweiten Liga oder nach einem (hoffentlichen) Wiederaufstieg in die erste Liga?
Ist so eine Sache, Emotion vs. Vernunft.
Die Vernunft sagt definitiv, dass es besser ist, den Wechsel jetzt zu vollziehen, so dass Rackovsky in der zweiten Liga ordentlich Erfahrung sammeln kann, sich vor allem auch die gesamte Hintermannschaft an das durch den Torwarttyp bedingte andere Defensivverhalten gewöhnen kann, anstatt sich nach einem Aufstieg in einer höheren Spielklasse nochmal umgewöhnen zu müssen. Vor allem weil ja so viele neue Spieler da sind, wäre es perspektivisch gesehen ja sinnvoll, wenn diese sich von Anfang an mit dem gleichen Torwart einspielen können, der mittelfristig im Kasten stehen wird.
Vom Gefühl her, würde man es Rapha natürlich gönnen, wenn er seine Karriere damit beenden könnte, dass er den Club zurück in die erste Liga führt. Das hätte er sich definitiv verdient.
Dabei sollte man auch bedenken, dass es auch sportliche Gründe gibt, die für Rapha sprechen. Mit seiner Erfahrung als Führungsspieler kann er auch den Ausschlag dafür geben, dass man sich in der zweiten Liga schneller zurecht findet.
Es ist eine extrem schwierige Entscheidung, die ich persönlich nicht treffen müssen möchte…
Am angenehmsten wäre wohl eine Lösung, bei der man an Raphas eigene Vernunft appelliert und mit ihm eine Vereinbarung über dessen Zukunft im Verein trifft, und dass dieses Jahr eine Art Übergangsjahr wird, in dem er bereits in seine neue Funktion eingeführt wird, und sich sonst freiwillig als Ersatzkeeper auf die Bank setzt und Rakovsky die Nr. 1 wird…
Ich kann mir allerdings auch vorstellen, dass Rapha für so etwas sein eigener Ehrgeiz im Weg steht (was man ihm ja keinesfalls vorwerfen kann).
Wie gesagt, eine sehr schwierige Situation, kann man schon jetzt als Härtefall bezeichnen…
Scramjet,
Puh, das Dilemma hast Du sehr schön beschrieben, in der Haut von den Entscheidern möchte ich auch nicht stecken. Gefühlt fände ich’s super, wenn Rapha wie anno dunnemals Köpke den Club wieder hoch zieht, aber andererseits…
Dank an Florian, super Analyse!
Ich verstehe Deinen Verweis auf die Torhühter Situation beim FC Köln damals nicht.
Zur Erinnerung: Es gab keinen wie auch immer geartete Zweikampf zwischen Rensing und Horn. Nach dem Abstieg hat der Verein mehr oder minder direkt Rensing, wie einigen anderen auch, einen Wechsel nahegelegt. Begründet wurde dies damit, daß der Verein sich das “große” Gehalt Rensings sparten wollte; schließlich mußte man beim Wechsel Rensings nach Leverkusen noch eine Abfindung zahlen.
https://de.wikipedia.org/wiki/Michael_Rensing
Für Horn sprach neben dem gewonnenem finanziellem Spielraum, die Tatsache, daß er die Jugendmannschaften des FC durchlaufen hat und somit als Identifikationsfigur für die Fans, die vom x-ten Abstieg naturgemäß nicht begeistert waren, aufgebaut wurde.
Irgendwelche Parallelen zur Situation beim Club sehe ich überhaupt nicht. Im Gegenteil, Rensing war damals deutlich jünger als Schäfer heute, Schäfer ist, unabhängig davon wie man sein Leistung beurteilt, die Identifikationsfigur und er soll auch nicht vom Lohnzettel verschwinden.
Die Parallelität würde nicht im Verjagen der Nummer 1 liegen, da ist die Situation in der Tat anders geartet, sondern darin, sich bewusst nach dem Abstieg für eine sehr junge Nummer Eins zu entscheiden. Also zu sagen: Wir wollen dem sehr jungen, talentierten Keeper eine Chance geben Spielpraxis zu sammeln und gehen damit ein bisschen ins Risiko.
Die mögliche Parallele liegt weniger bei Rensing-Schäfer, sondern bei Horn-Rakovsky.
Entschuldige, aber auch in diesem Teilaspekt fehlt mir jede Vergleichbarkeit.
Horn und Rakovsky sind zwar gleichalt, Horn ist aber schon seit zwei Jahren Stammkeeper mit 64 Einsätzen, Rakowsky wird es wenn überhaupt erst dieses Jahr.
Die Entscheidung pro Horn als Stammkeeper ist gefallen als er 19 war und noch kein einziges Spiel im Seniorenbereich absolviert hatte. Rakowsky ist das genaue Gegentail, ist mittlerweile 21, hockt seit 3 Jahren auf der Club-Bank mit genau 6 Einsätzen in der Bundesliga.
Ich gehe sogar noch weiter, wenn sich Rakowsky sich nicht gegen Schäfer dieses Jahr durchsetzt und mit dem Club aufsteigt, dann war es das mit der 1. Bundesliga Karriere für ihn; beim Club oder sonstwo. Das was ihm an Erfahrung fehlt im Vergleich mit ähnlich alten Keeper wird er doch nie mehr aufholen können …
Ein wunderbarer Überblick, der bestimmt viel Mühe bereitet hat. Aber er ist äußerst lesenswert.
Mit Angha oder Pachonik als rechtem Verteidiger habe ich so meine Bedenken. Das soll unsere Lösung für 34 Spiele sein? Bitte nicht. Das fängt ja gut an.
Bei den Linksverteidigern fehlt der Name Sinan Tekerci, der beim Spiel auf Schalke erstmals zum Einsatz kam und jetzt im Profikader steht. Meines Wissens hat er die Mehrheit seiner Spiele in der 2. Mannschaft als linker Verteidiger absolviert. Und hat dort deutlich mehr Einsätze bekommen als zum Beispiel Pachonik als rechter Verteidiger.
Danke, Florian, für die sorgsam ausgearbeitete Analyse – die so überzeugend wirkt, dass mich trotz aller wohlklingenden Überlegungen ein ungutes Gefühl beschleicht: Wird die so beschriebene Abwehr für die Herausforderungen der 2. Bundesliga und die ehrgeizigen FCN-Ambitionen des sofortigen Wiederaufstiegs reichen?
Mir fehlen irgendwie noch zwei Spieler, die das Zeug zu einer bärenstarken Abwehr einer Mannschaft der 1. Bundesliga haben…
Tekerci war nicht beim Trainingsauftakt der Profis (im Gegensatz zu Pachonik), taucht auch nirgends in den Interviews, o.ä. als Option auf, wird bei Tm.de als Abgang in Richtung unbekannt geführt (was nichts heißen muss, dort war er bis vor Wochenfrist noch Zugang für die erste Mannschaft), deshalb hab ich ihn momentan nicht in der Übersicht.
Ich muss persönlich sagen – hoffe das kommt auch raus – dass es mir schwer fällt, die Neuzugänge wirklich einzuordnen. Hovland, Bulthuis, Ramirez können hervorragende Zweitligakicker sein, aber auch mit dem Fußball in der zweiten Liga in Deutschland aus welchen Gründen auch immer überfordert sein. Daran, ob die den Aufgaben eine Spielklasse höher gewachsen sind, verschwend ich ehrlich gesagt, noch gar keine Gedanken, momentan würde es mir reichen, wenn die aufstiegstauglich wären.
@Flo
Florian Zenger, Tekerci war nicht beim Trainingsauftakt? Hatte ich nicht unlängst irgendwo gelesen, dass er jetzt zum Profikader gehört? Auf der FCN-Homepage ist er auch nach wie vor im Kader der neuen Saison zu finden.
Könnte es vielleicht sein, dass die Presseabteilung beim Club nicht weiß, was wirklich los ist?
@Florian: Ich denke halt immer langfristig, das hat im Club-Umfeld nicht unbedingt weite Verbreitung und schon gar nicht Tradition.
Es geht auch nicht darum, dass sie “jetzt schon 1. Liga können”, sondern das Entwicklungspotenzial dazu mitbringen – den richtigen Trainer dafür haben wir mit Ismael jedenfalls schon mal!
Ich kann ehrlich gesagt, nicht ganz folgen, denn genau die Tatsache, dass beide nach dem Abstieg des jeweiligen Vereins quasi keine Profierfahrung (egal, ob jetzt 0 oder 6 Spiele) hatten, macht die Situation für mich vergleichbar. Also Horn 2012 und Rakovsky 2014 sind für mich schon vergleichbar. Die Entscheidung des Vereins für einen derart unerfahrenen Keeper war/wäre in beiden Fällen ein Wagnis, kann aber dazu führen, dass man bei Aufstieg einen Torwart hat, der schon durch eine Profisaison eine gewisse Sicherheit hat.
Beim zweiten Teil geh ich absolut konform. Rakovsky kann sich kaum mehr Spielzeiten auf der Bank erlauben.
@ Taktiktafel, ja es gibt Unterschiede zwischen Horn und Rakovsky, aber die Situation ist ähnlich wie damals in Köln. Setzt man auf einen erfahrenen Erstligatorhüter, oder geht man ein Stück weit Risiko, kann aber nach der Saison feststellen, ist der junge, talentierte Torwart hinter der alten Nummer 1 nicht nur talentiert, sondern auch fähig Bundesliga zu spielen.
Bei uns ist die Entscheidung ob Rakovsky den Schritt zum Stammkeeper vielleicht noch wichtiger, da Schäfer mit 37 wirklich sehr nah am Ende der Profikarriere sein wird, sprich, schafft Rakovsky es nicht, müssten wir nächste Saison so oder so einen weiteren Erstligakeeper verpflichten, selbst wenn wir den Aufstieg nicht schaffen sollten.
Ich könnte mir vorstellen, dass hier vielleicht der Wechsel zur Winterpause kommen wird, Schäfer erst noch der Mannschaft Sicherheit geben kann und dann, wenn die Abwehr eingespielt ist, der Wechsel kommt.
Nach der aktuellen Personallage sehe ich auch die rechte Seite als die an, die man nur schwer einschätzen kann. Machen hier Pachonik oder Angha den großen Schritt nach vorn, könnten wir da perspektivisch vielleicht sogar besser aufgestellt sein als links, wenn beide aber den nächsten Schritt nicht schaffen könnte es hier notwendig sein nach zu legen, weil wir dann sogar für die zweite Liga dort zu schwach aufgestellt wären.
Erstes Spiel der Saison zuhause.
Gegen Erzgerbirge Aue.
Na dann, auf zur Mission Aufstieg.
und am 2.Spieltag in Ferdd 😉
zur Torhüter-Diskussion:
Horn galt in Köln als absolut herausragendes Talent auf Ebene Leno/ter Stegen. Besitzt Rakovsky diese Klasse, hätte er dann nicht wenigstens einen der wechselnden Trainer von sich überzeugen müssen, insbesondere den Offensiv-Verfechter Verbeek? Mich erinnert die Situation eher an Darius Kampa, der ebenfalls ein ordentlicher Vertreter war, Durchschnitt, aber mehr auch nicht.
zum Rechtsverteidiger:
Bader weiß, dass es eine gehörige Portion Risiko bedeutet, auf Angha/Pachonik zu setzen. Also wird er die Vorbereitung abwarten, ob die beiden sich wie erhofft entwickeln. Falls nicht, wird Bader hier kurzfristig nachlegen. Und diesmal keinen Brasilianer aus der rumänischen Liga nehmen…
Rakovsky und Horn waren von den Anlagen her durchaus vergleichbar, auch in den U-Mannschaften standen sie meist auf Augenhöhe.
Bei der Frage nach der Konkurrenz zu Schäfer geht es ja nicht einfach nur darum, den Trainer von den Fähigkeiten zu überzeugen, sondern auch um die Hierarchie. Damit sah es ja eh net sonderlich prickelnd aus, und den Mannschaftskapitän einfach mal so ohne Not abzusägen, v.a. wenn dieser selber ja auch sehr gute Leistungen bringt (was die letzten Jahre nunmal konstant der Fall war), das kann auch böse Folgen haben.
Zur RV-Position:
Das ist auch mal wieder so paradox… Für LV beschweren sich die Leute, dass man Tekerci kein Vertrauen schenkt, aber selber reicht ihnen dann Pachonik als RV-Backup nicht aus, bzw. ein Angha als Stammbesetzung?
Der hat doch in der ersten Liga ganz gute Ansätze gezeigt. Klar waren noch oft Fehler drin, aber man muss auch die Gesamtsituation beachten, also die Umstände unter denen er seine ersten Erfahrungen sammeln musste.
Und wenn man jetzt noch einen RV holen würde, heißts auch wieder, wozu hat man denn den Angha geholt, wenn man ihm dann keine Chance gibt? Und den eigenen Nachwuchsleuten sowieso?
Zugegeben, auf rechts sind wir nicht so gut aufgestellt wie links, wo man mit Pino noch eine dritte sehr gute Option hat.
Allerdings denke ich nicht, dass man noch nach einem “richtigen” RV schauen sollte, also nach einem, der in erster Linie Verteidiger. Sondern versuchen, sich eine zusätzliche Option durch einen Mittelfeldspieler zu schaffen. Fürs RM brauchen wir ja definitiv noch jemanden, der sollte halt dann so polyvalent sein, dass er auch hinten aushelfen könnte.
Eben: Immer wird danach gerufen, daß der eigene Nachwuchs zu wenig Berücksichtigung findet. Landen dann mal einige Spieler wenigstens im Dunstkreis der ersten Mannschaft, wird danach gerufen, daß die doch zu schwach sind und wir dringend andere Verstärkung benötigen.
Ich bitte um Geduld. Völlig planlos und planfrei geschieht (hoffentlich) nichts beim Glubb. Hmm, naja ok: Die Außendarstellung manchmal vielleicht.
Zurück zum Thema: Der rumänische Brasilianer war damals ein Transferschnäppchen, also auch dieser Wechsel war nicht völlig planlos und planfrei. Ob ein Wechsel oder Spieler aus der Jugend einschlägt oder nicht, wissen auch Spitzenmannschaften immer erst hinterher.
Ich denke in dieser Saison werden wir dann im Winter sicherlich mehr an den Stellschrauben drehen, wenn das die erste Halbsaison dann zeigt. Und vielleicht bleiben wir dieses Mal in der Rückrunde wenigstens nahezu verletzungsfrei.
Nochmal zur Torhüterfrage: Ich bin mir sehr sicher, dass Schäfer unsere Nummer 1 für die nächsten beiden Saisons wird, sollte er das Leistungsniveau der letzten beiden Saisons halten. Er ist als Person in dieser neu zusammen gestellten Mannschaft wichtig und die Bundesliga ist mit 37 auch noch möglich – sollten keine Verletzungen dazu kommen. Gibt es keinen direkten Wiederaufstieg, kann man nächstes Jahr eher über einen Wechsel nachdenken, wenn es nicht wieder einen Umbruch gibt wie dieses Jahr, aber zunächst ist es meiner Meinung nach richtig, hinter einer komplett neu formierten Mannschaft einen Torhüter mit Erfahrung zu haben. Des Weiteren hat sich Pat auch nicht unbedingt in den Vordergrund gespielt und sah, wenn ich mich recht erinnere, in der Zweiten bei einigen Gegentoren schon etwas unglücktlich aus.
Bei der Rechtsverteidiger-Diskussion denke ich auch, dass man erstmal die Vorbereitung und den Start der Saison abwarten wird. Sieht man hier Ende August noch Bedarf (bis Transferschluss sind schon 4/5 Pflichtspiele vergangen) wird man reagieren. Sollten Pachonik und Angha allerdings ihr Potenzial abrufen, sehe ich dort keine Probleme.