Analyse: Fußball gekämpft #FCN #FCNAUE
Analyse, Statistik, Stimmen und Noten zum Spiel: 1. FC Nürnberg vs. Erzgebirge Aue 2:1 (1:0) Der Club gewinnt das dritte von vier Heimspielen unter Michael Köllner, obwohl er fast eine Halbzeit in Unterzahl spielen musste.
Die Analyse:

Michael Köllner setzte im sechsten Spiel als Club-Tainer auf die vierte Grundordnung. Nach dem 4‑1‑4‑1 (Bielefeld, Union, Karlsruhe), dem 4‑3‑2‑1 (Hannover) und dem 3‑4‑2‑1 (St. Pauli), ließ der “vorläufige Cheftrainer” seine Mannschaft gegen den Tabellenersten der Formtabelle im 4‑2‑3‑1 auflaufen. “Nicht meine Lieblingsformation” wie er nach dem Spiel zugab und auch ein System, das er im Gespräch mit der eigenen Presseabteilung einmal als “reaktiv” bezeichnet hatte. Köllner gab aber nach dem Spiel zu Protokoll: “Man muss dann auch mal von seinen persönlichen Eitelkeiten abrücken und das System wählen, das einer Mannschaft Halt gibt.” Ein Satz, den man von einigen anderen Übungsleitern in Nürnberg so nie gehört hätte.
Personell bedeutete dies einige Rochaden: Rückkehrer Möhwald und Petrak nahmen zwei der drei zentralen Mittelfeldrollen ein, Behrens die dritte; er rückte neben Petrak auf die Doppel-Sechs. Löwen agierte auf der linken Außenbahn, Matavz kehrte in die Sturmspitze zurück. Baumann, der gegen St. Pauli noch begann, war nicht einmal im Kader. Darüber hinaus ersetzte Kammerbauer Brecko auf der Rechtsverteidigerposition. Margreitter und Teuchert kehrten in den Kader zurück, nahmen aber – im Gegensatz zu den anderen Rückkehrern Möhwald und Petrak – zunächst auf der Bank Platz. Neben Baumann fielen auch Gislason (beide Trainerentscheidung), Salli (nicht voll trainiert) und Hovland (Gelbsperre) im Vergleich zur Vorwoche aus dem Kader.
Das Spiel begann mit viel Pressing von beiden Mannschaften, der Versuch beider Trainer dem Gegner die Stärke des kontrollierten Spielaufbaus, die beide in den letzten Wochen gemeinsam hatte, zu neutralisieren. Es entstanden dadurch viele Unsauberkeiten im Spielaufbau, die das Spiel für den Zuschauer im Stadion oder am Fernsehgerät durchaus unanehnlich gemacht haben dürfte. Schnell wurde auch klar, dass die unter der Woche von Kevin Möhwald ausgegebene Maxime “Wir sollten nicht versuchen, alles spielerisch zu lösen” beherzigt wurde. Der lange Schlag war durchaus wieder im Repertoire. Allerdings konnte man zu Beginn des Spiels sich durchaus fragen, ob der Club nur den ersten Teil von Möhwalds Zitat gelesen hatte, denn von “müssen wieder mehr Wucht entwickeln” war wenig zu spüren. Immerhin schaffte es der Club Aue weitgehend zu neutralisieren. Einzig ein Fernschuss von Nazarov nach einem Querschläger von Kammerbauer prüfte Schlussmann Schäfer.
Kurz darauf war Schäfer erneut beteiligt: Der Torwart des FCN pflückte einen Freistoß von Hertner sicher aus der Luft und warf schnell auf Löwen ab, der leitete den Ball nach kurzem Dribbling gezielt in die Ecke des Spielfelds weiter, von wo aus Möhwald den Ball in den Rücken der Abwehr auf Kempe spielte. Dieser hatte zwar Glück, dass Kalig den Ball nicht wegschlug, setzte dann aber die Auer Abwehr mit schönem Drehschuss außer Gefecht und schlenzte den Ball ins vom Schützen aus linke unteren Eck. Der Club hatte mit seinem ersten Torschuss getroffen und zum neunten Mal einen Konter mit einem Tor abgeschlossen. Mit diesem Wert ist der FCN tatsächlich Ligaspitze.
Eigentlich hatte der Club das Spiel nun relativ gut im Griff, Aue tat sich schwer hinter die Clubabwehr zu kommen, die Defensive stand sicher, zwang Aue durch gutes Stellungsspiel zu vielen Fehlern im letzten Drittel. Allerdings beging der FCN dann in Person von Dave Bulthuis selbst einen Fehler, der eigentlich hätte bestraft werden müssen. Doch Arne Aarnik ahndete das Trikotziehen des Holländers gegen Pascal Köpke im Strafraum nicht. Stattdessen hätte der Club auf der Gegenseite das 2:0 machen müssen. Nach einem starken Ballgewinn von Kammerbauer, der Nazarov den Ball im Spielaufbau abjagte, setzte dieser Löwen gezielt auf dem rechten Flügel ein. Dessen Flanke kam gezielt auf Matavz, doch dieser scheiterte freistehend vor dem Tor an Männel. Ein weiterer Bulthuis-Patzer hätte dann beinah doch den Ausgleich für Aue bedeutet, doch Adler scheiterte nach Seitenfallzieher-Querschläger von Bulthuis freistehend vor Schäfer.
Die wenigen Highlights der ersten 45 Minuten zeigen bereits, woran man im Achteck an diesem Nachmittag war. Torgefahr entstand nur dann, wenn individuelle Fehler vorausgingen, aus dem Spiel heraus gab es wenig Gefahr. Beide Teams taten sich schwer die gegnerische Abwehrreihe zu überspielen, der Club hatte in dieser Phase noch die etwas bessere Chance, insgesamt blieb es aber durchaus ereignisarm am Dutzendteich.
Nach der Pause wandelte sich der Charakter des Spiels dann schnell. Aue kam druckvoll aus der Kabine, kam über Köpke zu einer ersten Gelegenheit, in deren Entstehung der Ball Mühl an die Hand gesprungen war. Die Forderungen nach Elfmeter wegen Handspiel durch Mühl ignorierte Schiedsrichter Aarnink zurecht, Köpke hatte Mühl aus circa 40 Zentimetern Entfernung angeschossen. Wenige Minuten später blieb dem niedersächischen Unparteiischen dann aber keine andere Wahl als doch eine Entscheidung gegen den FCN zu fällen. Patrick Kammerbauer setzte seine Grätsche gegen Köpke zu spät an, erwischte den Ex-Nürnberger an der Wade und nicht den Ball. Der Youngster musste mit Rot vom Feld und damit für die Unordnung in der Clubdefensive die Zeche zahlen, die durch das Herausrücken von Bulthuis und das ‘zu tief stehen’ von Djakpa ausgelöst worden war. Den anschließenden Freistoß setzte Kvesic dann auch noch ins Tor. Es stand 1:1 und der Club war ein Mann weniger.

Michael Köllner reagierte auf die Herausstellung, stellte auf Dreierkette um, indem er Ondrej Petrak nach hinten beorderte, gleichzeitig übernahm Eduard Löwen nun die Aufgaben des rechten Verteidigers in dieser Formation. Dass Aue nun wesentlich mehr vom Spiel und vom Ball haben würde, war abzusehen. Die numerische Überlegenheit gepaart mit der in den letzten Wochen erarbeiteten Ballsicherheit hießen, dass der Club sich nun aufs Verteidigen und Setzen von Kontern verlegen würde müssen. Auch zu diesem Zweck brachte Michael Köllner kurz nach dem Ausgleich Cedric Teuchert für den enttäuschenden Tim Matavz. Der wiedergenesene Youngster hatte gleich nach seiner Einwechslung zwei gute Gelegenheiten im kurzer Folge, zunächst war er nach einem Dribbling auf Außen von Möhwald und dessen Pass auf Kempe gut freigespielt worden, sein Schuss aber zur Ecke gelenkt worden. Eben jene Ecke köpfte er dann in die Arme des Auer Keepers Männel.
Wirklich “all-in” wollten die Auer allerdings trotz höherem Ballbesitz und numerischer Überlegenheit nicht gehen. Die Angriffe verließen sich sehr darauf, den Ball zu den schnellen und technisch versierten Stürmern zu befördern und dann zu hoffen, dass diese den Ball verwerten können würden. Die Erzgebirgler verpassten es aber dann nachzurücken, um den Offensivkräften mehr Unterstützung anzubieten. Gleichzeitig stand die Clubabwehr dank der Umstellungen nach dem Platzverweis wieder sortierter und sicherer. Mit zunehmender Spieldauer – und schwindenden Kräften – nahm auch das Pressing beider Mannschaften deutlich ab. Der Club konnte es mit zehn Mann nicht wirklich konsequent ausspielen und die Auer hatten erheblichen Respekt vor den Kontern der Nürnberger. Zurecht, wie sich in der 82. Minute herausstellen sollte.
Petrak hatte einen Fehlpass aufgenommen, diesen Behrens zugespielt, der den langen direkten Ball auf Teuchert wählte. Der Joker nahm den Ball auf, obwohl er ihm an den Rücken gesprungen war, profitierte dabei auch von einem Ausrutscher von Samson. Mit dem Ball am Fuß war Teuchert dann aber nicht aufzuhalten, verlud erst Kalig und dann auch noch Männel und traf zum 2:1. Da Aue nach diesem Gegentor weiterhin nicht die nötige Wucht entwickelte in Richtung Clubtor zu kommen und der Club dann auch noch mit Margreitter zusätzlich Beton anrührte, blieb es – trotz einer Chance nach einem Standard durch einen weiterern Ex-Cluberer, Albert Bunjaku – bei jenem 2:1-Erfolg.
Es war am Ende ein Erfolg der Pragmatik. Michael Köllner hatte, eingedenk der Tabellensituation, auf das Lieblingssystem der Mannschaft umgestellt, sich darauf verlassen, dass diese sich innerhalb dieses Wohlfühlsystems zurecht finden und zum Erfolg kommen würde. Die spielerische Weiterentwicklung war für den Moment auf Eis gelegt. Im Sinne der Pragmatik war das 2:1 über die “Mannschaft der Stunde” auch in jedem Fall ein Erfolg. Ein Erfolg der Ruhe ins Arbeiten bringt, der auch die größten Schwarzseher überzeugt haben müsste, dass zumindest der Absturz in die Drittklassigkeit in dieser Saison kein Thema sein wird. Andererseits darf diese Pragmatik nicht mit einer Kapitulation vor der normativen Kraft des Faktischen verwechselt werden. Köllner möchte auch weiter anders Fußball spielen lassen, doch der Erfolg steht zunächst einmal an erster Stelle. Fußballerisch war das Spiel gegen Aue nämlich nun wahrlich keine Offenbarung. Im Gegenteil, viel erinnerte an den Club unter René Weiler: Konterstark, willensstark und effizient, aber nicht wirklich schön anzusehen. Viel Fußball gekämpft, wenig Fußball gespielt.
Die Zahlen:
Nürnberg | Aue | |
---|---|---|
2 |
Tore
|
1 |
11 |
Torschüsse
|
19 |
5 |
Schüsse aufs Tor
|
5 |
3 |
Ecken
|
5 |
42,9 |
Ballbesitz (%)
|
57,1 |
71,8 |
Passquote gesamt (%)
|
83,0 |
88,0 |
Passquote eig. Hälfte (%)
|
90,4 |
60,6 |
Passquote geg. Hälfte (%)
|
70,7 |
19,3 |
Lange Pässe (%)
|
14,8 |
51,6 |
Gewonnene Zweikämpfe (%)
|
48,4 |
18 |
Fouls
|
8 |
109,70 |
Laufdistanz (km)
|
111,73 |
1 |
Abseits
|
1 |
Trainerstatement:
“Das war ein turbulentes Spiel. Wir haben heute das ganze Osterfest samt Auferstehung in 90 Minuten erlebt. Wir haben gegen eine starke Mannschaft mit großem Selbstbewusstsein gespielt. Wir haben trotzdem das 1:0 gemacht, aber immer wieder Probleme gehabt. Nach der Halbzeit kam dann gleich der worst case mit der Roten Karte und dem verwerteten Freistoß. Dann steht es 1:1 und es stellt sich die Frage, wie die Mannschaft damit umgeht. Das haben sie gut weggesteckt und mit großer Leidenschaft verteidigt. Die Fans haben uns dann zusätzlich getragen. Es ist schön, dass uns dann Eigengewächs Teuchert die drei Punkte beschert. Am Ende war es ein Kampf um jeden Zentimeter. Deshalb waren wir froh, als das Spiel abgepfiffen wurde. Jetzt können wir erst einmal durchschnaufen.”
Die Spieler im Einzelnen:
Teuchert nicht zweistellig ist ein gut gelungener Osterwitz. ☺
Frohe Ostern!
Bei aller Euphorie, ob des Treffers: KEIN Pass in 36 Minuten spricht schon ein deutliche Sprache. Ja, war nicht seine Aufgabe, weil er vorne drin stand, aber jenseits der drei guten Chancen (von denen eine reinging und von denen auch Köllner sagt “da muss er eigentlich ein zweites machen”) war halt nicht viel. Anlaufen der Gegner war auch wenig konsequent. Verstehe den Impuls nach dem Tor da mindestens eine Zwei zu sehen, über den gesamten Einsatz fand ich’s aber (auch konditionell!) verbesserungsfähig.
Den Osterwünschen schließe ich mich natürlich an. 🙂
CT hat ne 2 verdient vorm Komma, na klar. Das sie in Unterzahl das Spiel noch drehten, zum Glück und Respekt! Frohe Ostern ! 🙂
Die Zwei vorm Komma hat er ja. 🙂
Nicht zu gut benoten. Dann müssen wir ihn vielleicht nicht nach der Saison verkaufen. Oder wie wir es gerne machen–> verschenken!;-)
Auch für mich hat sich Teuchert die “zweistellig” verdient, weil sein Alleingang zum 2:1 die gefühlt erste echte Stürmeraktion in der Post-Burgstaller-Ära war. Insgesamt eine wohlwollende Bewertung der Mannschaft. Sowohl Möhwald als auch Behrens waren für mich nicht mehr befriedigend.
Bulthuis ist meiner Meinung nach mit den 2 Punkten noch gut bedient, das waren schon katastrophale Böcke. Immerhin kann man ihm sein Bemühen nicht absprechen.
Bei Mühl sah ich mitunter etwas Phlegma respektive fehlende Gedankenschnelligkeit. Behrens wirkt wie mit Blei in den Beinen. In der einen Kontersituation wollte er antreten und wirkte wie in Zeitlupe und wurde vom Gegner nahezu mühelos eingeholt. Sicher auch ne Kopfsache.
Teuchert hätte von mir auch zweistellig bekommen. Aber da darf man unterschiedlicher Auffassung sein, das ja Sinn und Zweck unserer Diskussionen hier, andere Auffassungen zu diskutieren. Ein Stürmer hat für mich die Aufgabe, insbesondere als Joker, die Defensive durch Präsenz zu binden und Torgefahr auszustrahlen. Beides gelang ihm hervorragend plus Zählbares! Für mich: Mission completed.
Frohe Ostern!
Weil es mir schon mal aufgefallen ist und ich Schorsch Dabblju noch im Ohr habe, muss ich die kleine Oster-Klugscheißerei los werden: Es heißt “mission accomplished”!?
Das Ziel von vielen, “sicherer Mittelfeldplatz in der 2. Liga” ist wohl damit erreicht worden. Die Saison ist beendet, ab in die frühe Sommerpause. Verfolgen wir mit Wehmut, wer die ersten 3 Plätze belegt. Für einige wirds jetzt wohl eher langweilig werden. Für die, die sich gerne Spiele um die goldene Ananas anschaun nicht. Der Club selber muss die nächsten Spiele schon als Vorbereitungsspiele nutzen und gezielt nach Verstärkung suchen.
Nenne mich eine typische fränkische Unke, aber vom gesicherten Mittelfeldplatz möchte ich erst sprechen, wenn dieser auch rechnerisch fix ist.
Typisch fränkische Unke.
Du wolltest das doch so, oder? 😛
Hä ? Das Saisonziel ist doch heute in greifbare Nähe gerückt. Nur noch zwei Punkte auf Fürth ?
Interessant ist immer auch, welche Spieler auf der Tribüne sitzen müssen, wenn genügend einsatzfähige Spieler vorhanden sind. Im Spiel gegen Aue hat es zum Beispiel Kirschbaum, Salli, Gislason und Baumann erwischt. Das kann jeder jetzt interpretieren, wie er will.
Salli hat (siehe Artikel) nicht voll trainiert, Baumann und Gislason waren tatsächlich Trainerentscheidung. Kirschbaum hatte wohl auch keine rückschlagfreie Trainingswoche und Köllner wollte dann auch nicht zu viel ändern. (Kirschbaum-Info von Köllner nach dem Spiel, Rest vom Verein auf Nachfrage)
Kirschbaum kam nicht zum Einsatz weil Köllner nicht zu viele Veränderungen im Kader machen wollte. Er deutete aber auch an das Kirschbaum wohl in Würzburg wieder im Tor stehen wird.
Baumann ist wohl dem Trial & Error Prinzip zum Opfer gefallen und Salli hat sich mit seinen letzten Leistungen einen Platz auf der Tribüne erkämpft 🙂
Baumann hat gegen St.Pauli im Prinzip keinen Ball gesehen. Er braucht (wie Ishak) noch Zeit. Es ist eigentlich egal, ob Baumann oder Ishak im Kader ist – beide helfen uns aktuell nicht.