Analyse: Effizienz vorne, Kirschbaum hinten
Analyse, Statistik, Stimmen und Noten zum Spiel: MSV Duisburg vs. 1. FC Nürnberg 1:6 (0:2) Der Club kommt dank gnadenloser Effizienz zum höchsten Auswärtssieg in einem Ligaspiel seit Einführung der Bundesliga.
Die Analyse:

Der Club begann wie am Montag gegen St. Pauli im 3-4-3. Gleich drei Änderungen im Vergleich zu diesem Spiel musste Michael Köllner vornehmen: Kevin Möhwald war gegen die Hamburger nach dreißig Minuten verletzt ausgeschieden, wie in dieser Partie ersetzte ihn erneut Lucas Hufnagel. Zusätzlich waren Petrak und Margreitter mit Infekten noch kurzfristig ausgefallen. Die Rückkehrer Erras und Mühl, der erst am Mittwoch bei der U21 über die volle Distanz gegangen waren, ersetzten die beiden. Zusätzlich tauschte Köllner ein weiteres Mal im Sturm, Salli musste auf die Bank, für ihn kam Mikael Ishak. Köllner reagierte mit dem klassischen Zentrumsstürmer darauf, dass am Montag das Zentrum bei den Hereingaben über die Flügel, auf die das 3-4-3 ausgelegt ist, zu oft unbesetzt geblieben war. Margreitters Kaderplatz nahm Gislason ein, Petrak musste sich dagegen krank auf die Bank setzen, um keinen Kaderplatz unbesetzt zu lassen.
Die Gastgeber begannen extrem druckvoll, rückten stark nach, so dass der FCN kaum in einen strukturierten Spielaufbau kam, gleichzeitig wirkte es so als hätten sie die defensive Zentrale vor der Dreierkette als Zone ausgemacht, in die sie ihre Angriffe bringen müssen, da hier im 3-4-3 am Montag die Absicherung oft fehlte. Immer wieder zogen Oliveira Souza und Stoppelkamp nach innen und suchten den Abschluss oder den Pass auf Iljutcenko oder Tashchy. daraus ergaben sich in den ersten zehn Minuten bereits drei Halbchancen durch das Offensivpersonal der Zebras. Mitten in diese Drangphase setzte der Club seinen ersten sauberen Angriff des Spiels. Hufnagel spielte den Ball mit Tempo genau auf die Schnittstelle zwischen Innenverteidiger und Rechtsverteidiger, wo Tobias Werner genau im richtigen Moment startete. Die Stuttgarter Leihgabe legte wiederum quer auf Mikael Ishak. Der Schwede hatte sich in bester Mittelstürmermanier gelöst und musste nur noch ins leere Tor einschieben. Das gelang ihm, es stand 1:0. In dieser Szene glich das 3-4-3, in dem die Angreifer erneut ihre Positionen flexibel und fließend einnahmen, eher einem 3-4-1-2, bei dem Hufnagel die Rolle des offensiven Mittelfeldspielers übernahm. Dies war fast immer dann der Fall wenn Hufnagel beim Positionswechseln den Part des zentralen Akteurs in der Angriffsreihe übernahm.
Duisburg ließ sich vom Rückschlag durch das 0:1 nicht beirren, spielte weiter nach Plan in die Spitze und kam über Stoppelkamp zu weiteren guten Gelegenheiten. Insbesondere wenn der Ball mit Tempo schnell verlagert wurde, tat sich der Club schwer hinterher zu kommen. Hierbei war es dann auch problematisch, dass die “Wing Backs” im 3-4-3 höher standen als die Außenverteidiger im 4-1-4-1, so dass hier auf den Außen zum Teil mehr Räume entstanden, in die Stoppelkamp und Oliveira Souza stoßen konnten, um dann in Strafraumnähe nach innen zu ziehen. Symptomatisch war eine Aktion nach 22 Minuten als Stoppelkamp in diesen Halbraum eindringen konnte, Mühl als zuständiger Verteidiger keinen Zugriff auf den Duisburger bekam und dieser abschließen konnte. Thorsten Kirschbaum aber wehrte den Schuss ab. Zwei Minuten später setzte derselbe Spieler der Zebras einen Ball an den Außenpfosten. Doch wie schon in der Anfangsphase schlug der FCN mitten in diese Drangphase hinein zu. Mühl spielte einen präzisen langen Ball auf Werner, der über rechts kam und bis auf Höhe des Elfmeterpunkts lief, ehe er den Ball präzise in Richtung der Fünfmeterlinie spielte. Dorthin hatte sich Ishak im Rücken von zwei Verteidigern gekonnt abgesetzt und musste erneut nur noch das leere Tor treffen. Es gelang ihm erneut.
Diesmal stellte das Gegentor einen Wirkungstreffer dar. Die Gastgeber mussten sich etwas länger als nach dem ersten Club-Treffer schütteln, ließen eine weitere Gelegenheit durch Ishak zu und hätten definitiv einen Strafstoß gegen sich bekommen müssen, als Stoppelkamp Hufnagel mit vollem Gewicht in den Rücken sprang. Erst gegen Ende der ersten Halbzeit kam der MSV dann wieder zu Gelegenheiten, spielte allerdings seine Aktionen nicht mehr ganz so zielstrebig und überlegt aus. Dennoch konnte sich Thorsten Kirschbaum mit weiteren Paraden auszeichnen, da der Club den Duisburgern in dieser Phase zu oft zu schnell den Ball überließ, so dass ihr Weg in Richtung Tor nicht immer sehr lang war. Dennoch ging es mit 0:2 in die Pause, auch weil Schiedsrichter Gerach auch den Duisburgern einen Elfmeter (Löwen an Oliveira Souza) verweigerte.

Nach der Pause stellte Köllner auf das bekannte 4-1-4-1 um, zog Löwen aus der Innenverteidigung in die Mittelfeldreihe als “offensiven Zehner”, Werner/Leibold und Valentini/Hufnagel rückten jeweils eine Station weiter nach hinten. Mit der Umstellung auf ein System mit klarem Sechser wurde die defensive Zentrale gestärkt, die eben im ersten Durchgang immer wieder durch die in die Mitte ziehenden Stoppelkamp und Oliveira Souza teilweise überrannt worden war. Gleichzeitig standen nun die Außenverteidiger tiefer, so dass es auch hier für Duisburg schwieriger wurde, unbedrängt in die Halbräume zu kommen. Dass der Club kurz nach dem Wechsel zum dritten Mal traf, lag dann aber nicht an der Umstellung, sondern an einer Standardsituation. Nach einem kleinen (nicht zwingend ahndenswerten) Zupfer gegen Tobias Werner entschied Schiedsrichter Gerach in zentraler Position auf Freistoß, Eduard Löwen trat an und schlenzte den Ball in den Winkel zum 3:0. Der Club konnte sich daher nun in der Folgezeit aufs Verteidigen und Konter setzen verlegen.
Die Duisburger dagegen steckten trotz des klaren Rückstands nicht auf, spielten weiter forsch nach vorne und kamen zu mehreren sehr guten Gelegenheiten. Doch egal, welcher der Duisburger Angreifer es versuchte, Thorsten Kirschbaum blieb stets Sieger. Dabei waren es keine schlechten Chancen, die sich dem MSV da boten, der Club bot reichlich Angriffsfläche, verhielt sich – eventuell mit dem 3:0 im Rücken und einer englischen Woche vor der Brust auch psychologisch bedingt – sehr passiv, ließ den Gastgebern durchaus Räume zur Entfaltung, gerade die Innenverteidiung um Ewerton und Mühl stand bei einigen Bällen auf die Schnittstellen nicht immer gut. Hier merkte man beiden Spielern durchaus noch an, dass sie in den letzten Wochen, ja Monaten, kaum Pflichtspiele bestritten hatten. Da die Duisburger den Ball aber nicht im Tor unterbringen konnten, wurde das Spiel nicht weiter spannend und der FCN konnte mit gnadenloser Effizienz weitere Tore erzielen.
Zunächst machte Löwen, der auch in offensiver Rolle gefallen konnte, mit gutem Auge Behrens aus, der setzte Ishak ein, welcher gekonnt ausnutzte, dass die Duisburger Abwehrreihe nicht auf einer Linie stand, frei vor Flekken auftauchte und eiskalt zum 4:0 verwandelte. Zwei Minuten später war Löwen dann selbst Empfänger eines gezielten Passes (von Erras) und wurde von den Duisburgern so wenig gestört, dass er den Ball locker und präzise ins Kreuzeck schlenzen konnte. Das Tor war insofern typisch für den Nachmittag, dass der Club eben mehrfach davon profitierte, dass die Verteidiger der Zebras zu weit weg vom Gegenspieler standen, in der Defensive kaum in die Zweikämpfe kamen. Gepaart mit der brutalen Effizienz von Ishak und Löwen an diesem Nachmittag war dies eine verheerende Kombination für die Meidericher. Diese kamen per Strafstoß (Ewerton hatte nach einer Ecke boatengesk den Ball mit Hand gespielt) noch zum Ehrentreffer, doch die eingewechselten Salli und Teuchert stellten im Zusammenwirken kurz vor Schluss den alten Abstand wieder her.
Der Club gewann damit am Ende mit 6:1 und ein wenig fühlte man sich an den Montagabend erinnert, als Olaf Janßen in der Pressekonferenz zu Protokoll gab, dass es eben in der Zweiten Liga zwei, drei Spiele pro Saison gäbe, bei denen man nicht wisse, warum man sie gewonnen habe. Nun wäre dies in seiner Absolutheit sicher übertrieben, der Sieg des FCN hatte gute Gründe, die in Chancenverwertung und Torwartleistung lagen. Dennoch kommt man nicht umhin sich ob des Ergebnisses verwundert die Augen zu reiben. Michael Köllner hatte absolut recht, als er nach dem Spiel die Partie als “eng” bezeichnete, obwohl das Ergebnis etwas anderes suggeriert. Der Club war keineswegs fünf Tore besser, er war nur fünf Tore effizienter. Man merkte durchaus, dass mit Mühl, Hufnagel und Erras einige Spieler vor allem deshalb spielten, weil die Alternativen krank oder verletzt waren. Dies soll das Ergebnis an sich nicht klein reden, aber richtig einordnen: An einem anderen Tag kommen die defensiven Schwächen im Ergebnis mehr zum Tragen oder die Offensive ist weniger eiskalt. Dies ändert aber nichts an der Tatsache, dass der Club seinen höchsten Auswärtssieg in einem Ligaspiel seit September 1962 (9:0 in Kassel) einfährt und sich natürlich über das Ergebnis und die Offensive freuen darf. An der Defensive darf aber weiter gefeilt werden.
Die Zahlen:
Duisburg | Nürnberg | |
---|---|---|
1 |
Tore
|
6 |
24 |
Torschüsse
|
14 |
10 |
Schüsse aufs Tor
|
9 |
9 |
Ecken
|
5 |
59,7 |
Ballbesitz (%)
|
40,3 |
82,7 |
Passquote gesamt (%)
|
74,4 |
93,2 |
Passquote eig. Hälfte (%)
|
87,1 |
71,8 |
Passquote geg. Hälfte (%)
|
59,1 |
12,0 |
Lange Pässe (%)
|
20,1 |
47,6 |
Gewonnene Zweikämpfe (%)
|
52,4 |
12 |
Fouls
|
13 |
109,80 |
Laufdistanz (km)
|
112,11 |
1 |
Abseits
|
2 |
Trainerstatement:
„Wir wollten heute das zurückholen, was wir am Montag haben liegen lassen. Ich bin froh, dass uns das gelungen ist. Wir haben unsere Angriffe perfekt gespielt. Es war wichtig, dass wir auch wieder ein Ergebnis liefern konnten. Auch wenn es sich bei dem Ergebnis komisch anhört: es war ein enges Spiel. Duisburg hatte nach dem Sieg in Bielefeld viel Selbstvertrauen und heute eine enorme Wucht vorne drin. Ich bin froh, dass es bei uns trotz der vielen Ausfälle so gut geklappt hat. Man hat gesehen, dass sich der breite Kader auszahlt und alle wichtig sind.“
Die Spieler im Einzelnen:
Bei aller Freude über ein wirklich außergewöhnliches Spiel, hoffe ich dass die junge Mannschaft auf dem
Boden bleibt und den Worten und Kritik, des Trainers, der in seiner Bewertung sicher ähnlich liegt wie
Florian, den nötigen Glauben schenkt. Das kann eine tolle Saison werden, aber die Spiele gegen Aue und Pauli sollten nicht vergessen werden… Man stelle sich vor Kerk wäre auch noch auf dem Platz gestanden…
Dann wäre Werner nicht aufgelaufen, Kerk hätte vielleicht einen schlechten Tag gehabt und Duisburg kurz nach der Hz. 1-0 in Führung gegangen.
Freunde – seht die Dinge nüchtern: ein wundervoller Sieg, vereinzelt auch Schwachpunkte – aber auch etwas Glück gehabt. Ich freue mich für den Club und hoffe, dass er aus dem Sieg die für die kommenden Spiele nötige Moral mitnimmt. Ich wünsche mir von den Clubanhängern, dass sie sich freuen und diesen wundervollen Sieg genießen – aber jetzt nicht wieder gleich ausflippen und von Aufstieg reden. Es ist ein langer Weg dorthin! Und ich wünschte mir bei sicher noch folgenden weiteren Niederlagen mehr Fairness Trainer und Mannschaft gegenüber! Es ist erschütternd, was an Verletzendem da manchmal “abgesondert” wird! Dass der Club zu Großem fähig ist, hat man gesehen. Genauso wenig hat er alles verlernt, wenn er wieder mal verliert. Noch ein Wort zum Trainer: genial seine taktischen Überlegungen – er jammert nicht bei diesen zahlreichen Ausfällen, sondern handelt richtig! Er hat zahlreiche junge Spieler geholt, die sich toll entwickelt haben! Wir hatten in den letzten Jahren oder Jahrzehnten keinen Besseren! Und er ist mit dem Fan immer auf “Augenhöhe”! Menschlich wie fachlich eine Ausnahmeerscheinung!
Dreiblattkleeblatt gewinnt gegen Fortuna, Heidenheim in Bochum – die Liga spinnt munter weiter. Scheint so zu sein, dass es diese Saison reicht, halbwegs konstant etwas substanzieller als der Durchschnitt zu sein und zu arbeiten, um oben dabei zu sein. Ich seh uns mindestens auf einem ganz guten Weg.
Ich sehe die Dinge nüchtern, aber auch positiv. Weniger das bloße Ergebnis, jedoch hoffentlich die Brustlöser für die nächsten Spiele: Erras ist wieder da und das ist gut so. Er wird sicher noch einige Wochen brauchen in Normalform zu kommen, aber er bringt Sicherheit, Zuversicht und wird über kurz oder lang auch wieder scoren. Scoren? Da war doch was. Besonders freut es mich für Ishak, den ich m.E. zurecht schon komplett abgeschrieben habe, dass er doch noch treffen kann. Und ich relativiere jetzt nicht, dass das alles 3 Tore waren, die jeder Bezirksligavorstopper auch gemacht hätte. Das interessiert niemanden. Sein Job ist richtig zu stehen und die einfachen Bälle zu versenken. Das hat er eindrucksvoll gemacht. So soll es weiter gehen. Mancher hier hat von Torwartproblem gesprochen. Das habe ich nicht verstanden. Denn Kirschbaum war letzte Saison schon stark. Klar, macht er auch immer mal einen Fehler, wie gegen Union. Aber er ist ziemlich stabil geworden und gewinnt uns wie gegen Duisburg auch mal Spiele. In dieser Form brauchen wir ihn. Na ja, über Löwen brauchen wir nicht groß sprechen: wie jeder hier, bin ich absoluter Fan von dem Jungen. Wahnsinn, was der sich zutraut und irgendwie fast alles richtig macht. Ich hoffe, er bleibt gesund. Vor dem Hintergrund dieser Vorzeichen und dem positiven Effekt für unser Torverhältnis können wir vorsichtig optimistisch den Angstgegnern Bochum und Fürth entgegenstehen, die sich kaum mit 10 Mann in den 16er stellen werden und wir damit Platz zum spielen haben werden. Und verrückt wie der Fußball ist, würde es mich gar nicht wundern, wenn sogar Salli in diesen Spielen mal glücklich vom Gegner abgeholzt wird und zum Torschützen avanciert.
Ja, und da sind wir auch schon wieder bei der Benotung. Die mir im Fall von Salli ein wenig zu gut ausfällt, über die ich bei einem 6:1 Sieg aber auch wohlwollend hinweg sehen kann.
Interessant war für mich noch die Aussage meines Sohnes kurz vor Anpfiff: “Heute kannst du dich wenigstens nicht darüber aufregen, dass Petrak jeden Ball nach hinten spielt”. ?
In diesem Sinne , auf in die englische Woche! ?
Behrens, der wiedergenesene Mühl und Ewerton waren für mich aus unterschiedlichen Gründen die am wenigsten guten Spieler in Duisburg.
Da für Mühl und den Brasilianer Entschuldigungen wg. mangelnder Spielpraxis gelten, bleibt dann Behrens, der mir in vielen Situationen vor allem bei Absicherungsaufgaben viel zu schludrig war.
Auch Kirschbaum fand ich um eine Note schlechter: Bei den Abschlüssen der Meidericher fehlte einfach zuviel Genauigkeit, die waren mir echt einfach alle sehr haltbar. Gerade bei einer 3er Abwehrkette muss eben der Torhüter bei hohen Bällen Mut haben, aktiv zu reagieren und den hat er nicht. Das ist nicht sein Ding. Gleichzeitig hatte er einige Abschläge und Abstösse direkt ins Seitenaus oder in den massierten Gegner. Eine 2 bis 2- würde ich da vergeben.
Gleichzeitig würde ich Erras, Leibold und Valentini aufwerten wollen.
Erras einfach mit einem Rückkehrerbonus wg. fast eintretender Sportinvalidität. Valentini war einer der laufstärksten Spieler und Leibold hatte direkt vor unserer Nase viele gute Szenen.
Mann, eine geniale Auswärtsfahrt war das. Kaum zu toppen. Dennoch: Ich mag echt keine 3er Abwehr mehr bei uns sehen. Bitte wieder 4-1-4-1 oder 4-4-2 umstellen.