Ist das Alter nur eine Zahl? – Statistische Darstellung der Altersstruktur in der Zweiten Liga
Ein Blick auf die Altersstruktur der eingesetzten Spieler bei Meistern, Aufsteigern, in der Zweiten Liga und beim FCN.
Im August 1995 verlor Manchester United am ersten Spieltag der Premier League Saison mit 1:3 gegen Aston Villa. Eingesetzt hatte Alex Ferguson, damals noch kein Sir, Phil und Gary Neville (18 bzw. 20), Nicky Butt (20), Paul Scholes (20) und Ryan Giggs (21), eingewechselt wurden David Beckham (20) und John O’Kane (20). Als am Abend des Spiels in “Match of the Day”, der britischen Sportschau, die Sprache auf diese Tatsache fiel, ließ sich Alan Hansen, Ex-Liverpool-Spieler und TV-Experte, dazu hinreißen, die Niederlage auf das Alter der eingesetzten Spieler zu schieben. “You can’t win anything with kids.” Wenn der Gegner die Aufstellung mit so vielen jungen Spielern in die Hand bekäme, würde es die Stimmung der Spieler heben. Am Ende der Saison kamen die sieben genannten Spieler auf 180 Einsätze in der Liga und 32 im FA Cup. In der Liga kamen Spieler im Alter von 23 und jünger auf knapp 52 Prozent der gesamten möglichen Einsatzminuten. United gewann das Double und Hansens Spruch galt als widerlegt, ging aber als geflügeltes Wort ins englische Fußballvokabular.
In den folgenden Jahren hat sich Hansens Statement dann allerdings eher bewahrheitet. So sehr auf junge Spieler verlassen wie Manchesters Meistermannschaft hat sich danach kein englischer Meister mehr – Chelseas Meistermannschaft 2004/05 war im reinen Schnitt der eingesetzten Spieler zwar jünger, kommt aber lange nicht auf die Einsatzzeiten für U23-Spieler (37,7 Prozent). Auch in den anderen Ligen ist ein Meister, der zu mehr als der Hälfte U23-Spieler einsetzte selten zu finden. Letzte Saison setzten nur zwei der Meister aus den Top 20 Ligen der UEFA-Fünfjahreswertung mehr als die Hälfte der Zeit auf Spieler im Alter von 23 Jahren oder jünger: Ajax Amsterdam und Red Bull Salzburg. Zwei Vereine, deren Strategie – aus gänzlich unterschiedlichen Gründen – auf der Ausbildung von Talenten fußt. Die Schlusslichter in dieser Wertung: Bayern München und Atletico Madrid. Der Median der zwanzig Meister lag bei knapp 30 Prozent.
Doch wie sieht es in den Gefilden aus, in denen sich der 1. FC Nürnberg in diesen Tagen befindet? (Noch) geht es ja nicht darum Meistertitel zu holen, sondern in der Zweiten Liga erfolgreich zu sein und irgendwann doch wieder aufzusteigen. Schaut man sich die Aufsteiger der letzten zehn Jahre an, so stellt man fest, dass der Anteil an U23-Spielern im Median bei 36 Prozent lag. Bei vier der 22 Aufsteiger in dieser Zeit spielten U23-Spieler sogar mehr als 50 Prozent der möglichen Minuten: Auch hier stellt ein Red Bull Team mit 68,22 Prozent den Spitzenreiter. Aber auch Stuttgart 2019/20, Freiburg 2015/16 und Köln 2013/14 setzten in hohem Maße auf junge Spieler, was selbstverständlich auch mit der den Vereinen zur Verfügung stehenden Qualität der Youngster zu tun hat. Dass es auch fast komplett ohne junge Spieler geht, bewies dagegen Fortuna Düsseldorf 2011/12. Nur etwa zehn Prozent der möglichen Einsatzzeit ging an Spieler im Alter von 23 oder jünger – und von den zehn Prozent ging mit Abstand das meiste an einen einzigen Spieler: Maximilian Beister.

Der letzte Clubaufstieg dagegen wurde vor allem mit jungen Spielern erzielt. Beim Aufstieg des FCN in der Saison 20178/18 gingen 48 Prozent der Einsatzminuten an Spieler unter 24. Mit Bredlow, Leibold, Mühl, Möhwald, Erras, Kammerbauer, Teuchert und Palacios kamen gleich acht Spieler auf mehr als 500 Einsatzminuten – und Stefaniak und Zrelak lagen nur knapp darunter. Und dieses Jahr? Bisher gingen knapp 37 Prozent der Einsatzminuten an das, was man landläufig unter junge Spieler definiert, also Spieler bis 23 Jahre. Tim Handwerker (23 Jahre; 484 Minuten; 98,8 Prozent der möglichen Minuten) und Tom Krauß (20; 453; 92,5%) machen einen großen Anteil jener Minuten auch. Doch auch der “Bubisturm” Shuranov (19; 274; 55,9%) und Borkowski (19; 321; 65,5%) hat signifikante Einsatzzeiten gesehen. Im Ligavergleich liegt der Club mit diesen Einsatzzeiten nach Bremen (knapp 47 Prozent) und Ingolstadt (circa 41 Prozent) auf Rang Drei in Sachen U23-Minuten.
Betrachtet man nur die Einsatzzeiten der U21-Spieler landet der Club auf Rang 5, da knapp 20 Prozent der möglichen Einsatzminuten an Spieler im Alter von 21 Jahren oder jünger gingen. Die Aufteilung nach Altersgruppen verrät bei einigen Vereinen auch etwas über die Kadergestaltung: So hat der SV Sandhausen, dessen U23-Anteil bei knapp 2 Prozent liegt, auch nur vier Spieler im Aufgebot, die jünger als 24 sind, dafür aber sieben Spieler, die 30 und älter sind. Anders dagegen der HSV, bei dem außer dem dritten Torwart, Tom Mickel, alle Spieler 28 Jahre alt oder jünger sind. Welche der Strategien am Ende den Erfolg bringen wird und ob sich am Ende eher der Trend zur Jugend durchsetzen wird oder doch die Idee, das Fußballer zwischen 24 und 29 im Spitzenbereich ihrer Leistungsfähigkeit sind, wird das Jahr zeigen. Wir werden die Entwicklung in gewissen Abständen nachverfolgen.
Hinweis zu Terminologie und Methodik: Die Begriffe “U21”, “U23” und “Ü30” werden hier im fußballerischen Sinne verwendet, nicht im mathematischen. Das heißt “U23” schließt 23-Jährige ein, nicht aus. Für die vergangenen Saisons sind als Minutenangaben die Daten von Transfermarkt herangezogen worden, weil die Wyscout-Daten nur ins Jahr 2015/16 zurückreichen. Für die aktuelle Saison werden Wyscout-Daten verwendet, die auch Nachspielzeiten miteinbeziehen. Dadurch kommt beispielsweise der FCN bereits auf 490 gespielte Minuten nach fünf Spielen und nicht auf 450 wie bei Transfermarkt. Die Verwendung von Minuten bietet sich als genaueste Maßeinheit an, da die reine Anzahl der Spiele verzerrt, schließlich wird hier eine Einwechslung in der vierten Minute der Nachspielzeit und ein Spiel über die volle Distanz beide gleich gewertet.
Witzig, die Kaderstruktur des Club hat eine etwas zerdrückte Herzform. Das kann halt nur der Club!
Echtes Herzblut 😜
Lebkouhngherdzla! Aweng oh didschd halld.
Danke, Herr Zenger, sehr aufschlussreich und eine Bestätigung, auf die Jugend zu setzen.
So ein Glück, dass wir Christoper Schindler geholt haben, seitdem wir so etwas wie eine stabile Abwehr haben.
Man kann das ja spaßeshalber (in der Theorie) mal versuchen aber zwischen Erfolg und Alter des Spielers gibt es in meinen Augen überhaupt keinen sinnvollen Zusammenhang in Bezug auf Erfolg. Das Beispiel FCN mit einer verhältnismäßig jungen Mannschaft der letzte Auftieg ist aber dann auch dieselbe junge Mannschaft, die in der 1. Liga gar keinen Fuß auf den Boden bekommen hat und uns genau erfahrene Spieler dann in der 1 Liga gefehlt haben.
Dann ist es ein riesen Unterschied ob man sich internationale Ausnahmetalente wie Bellingham oder Moukoko leisten kann so wie Dortmund oder zb wir einen A Jugendspieler aus dem eigenen NLZ in der 2. Liga integrieren wollen. Auch wenn beide dann 18 sind, das ist nur übers Alter einfach nicht vergleichbar, da spielen andere Faktoren die Schlüsselrolle. Dortmund ist ansich das Paradebeispiel mit jungen Spielern, so schön sie hin und wieder performen genauso gehen sie seit Jahren unter wenn es ganz oben darauf ankommt oder wie Hummels es letztes Jahr verzweifelt nannte, “wir müssen wieder mehr Männerfußball spielen”.
Einen Zusammenhang zwischen Alter und Erfolg im Fußball herzustellen scheitert in meinen Augen, da ist kein Zusammenhang.
Dazu kommt speziell wir beim Club werden jedes Talent verlieren auf Sicht, dass einigermaßen performt, hilft uns also sportlich sehr begrenzt, weil wir ein Verkäufer Verein sind und finanziell nie konkurrieren können. Aus finanziellen Gründen macht es aber schon Sinn Talente zu entwickeln auch wenn die dann schnell verschwinden.
Bei Hummels sah es aber gegen Mbappe eher wie Altherrenfußball aus.
Es wird doch die letzten Jahre sehr hohen Wert auf die Schnelligkeit/Sprintvermögen gelegt und da hat nun mal der 20jährige meist den Vorteil gegenüber eines Ü30-Spielers.
Antrittsschnelligkeit ist allgemein kein Attribut von Innenverteidigern – dafür sind sie körperlich einfach nicht gebaut. Die wenigsten, seien sie 20 oder Ü30 werden gegen einen Spieler wie Mbappe im Laufduell gut aussehen…
Gegen Mbappe sieht glaube ich jeder schlecht aus im direkten Laufduell und ja Hummels hat ein Geschwindigkeitsproblem. Trotzdem spielt er bei einem der amibitioniertesten Erstligisten, die wir haben. Er war der auch nicht der schnellste als er jünger war. Aber wir sprechen hier ja von gut und erfolgreich in Abhängigkeit von Alter und da gibt es keine Evidenz. Siehe Chiellini beim Europameister 2020 der herausragendste IV bei dem Turnier..
Dank intensivierter Förderung in den NLZ sind die jungen Spieler technisch und taktisch besser ausgebildet als noch vor 20 oder 30 Jahren. Und wenn man den Interviews vieler altgedienter und ehemaliger Profis glauben schenken darf, sind die Jungspunde erheblich selbstbewusster als dies früher der Fall war. Ein schüchternes hinten anstellen gibt es für diese Generation kaum noch.
Und das ist gut so, um so mehr profitiert man von einer guten Nachwuchsarbeit, für einen Underdog der einzige Weg, dranzubleiben.
Ich finde wir haben eine sehr gute Altersstruktur, viele zukunftsträchtige Jungspieler und ein paar Leitwölfe, dazu einige Leistungsträger im besten Fußballalter. Einzig, dass 3 der U21-Fraktion nur geliehen sind.
Bremen und Ingolstadt könnten vielleicht ein wenig zu unerfahren sein, der HSV verzichtet gänzlich auf Ü30-Spieler, die nach landläufiger Meinung auf dem absteigenden Ast sind. Das sieht zukunftsträchtig aus, wenn sie es auf den Rasen bekommen…
Ich finde aber auch, dass unsere Ü30-Fraktion an der richtigen Stelle sitzt. Gerade in der IV kann man fehlende Spritzigkeit durch Erfahrung und Stellungsspiel kompensieren, außerdem hilft die Erfahrung dabei, ein guter Abwehrchef zu sein. Abgesehen davon sind die 1,90 m Schränke in der IV ohnehin nicht die Spritzigsten, darauf kommt es also auch nicht wirklich an. Siehe Italien.
Die emeritierte RB-Eminenz Rangnick sagte vor Jahren, ihm lägen Daten vor die belegen, dass junge Spieler den älteren in Sachen Ausdauer, Geschwindigkeit und zeitlichem Regenerationsbedarf überlegen seien. Und dennoch würde er die Milchbüblä nicht nur deswegen bevorzugen.
Sie hätten noch keine jahrelange Profierfahrung und seien schlicht leicht von der Spielidee eines Trainers zu überzeugen. D.h. sie widersprechen nicht und sperren sich auch nicht innerlich gegen Vorgaben des Trainers. So ähnlich hätte das wohl auch Heinz Höher zum Zeitpunkt der Spielerrevolte beim Club formuliert. Wenn er gesprochen hätte.
Wobei man sagen muss, dass “Mit Kindern gewinnt man nichts” halt auch noch aus einer komplett anderen Zeit stammt. Heutige Jugendspieler aus den Akademien sind körperlich und taktisch auf einem unfassbar hohem Standard unterwegs, außer der fehlenden Erfahrung haben die keine Mankos gegenüber älteren Spielern.
Red Bull ist in meinen Augen das beste Beispiel dafür, dass wirklich nur die Qualität der Spieler zählt, was die mit einer jedes Jahr komplett veränderten Salzburger Mannschaft spielen, ist beeindruckend. Da sind zwei Drittel der ersten Elf weg, kein Trainer bleibt länger als 1-2 Jahre und marschieren trotzdem durch wie nichts. Kontinuität hat nichts mit Personal zu tun. Und auch das “Finden einer Mannschaft” ist in meinen Augen überbewertet.
Der Erfolg des Projektes Red Bull gibt Rangnick auf ganzer Linie Recht. Ich zweifle an keiner der genannten Aussagen.
All das halte ich für wichtig, das finden einer Mannschaft, Bildung von Automatismen blindes Verständnis welche Laufwege der Nebenmann hat, inkl. was der kann und was nicht. Natürlich hat man eine gewisse Fluktuation jeden Saison, aber im Kern muss sich eine Mannschaft entwickeln. Man tauscht nur jede Saison die Spieler aus, die nicht zu dieser Entwicklung passen. Und Red Bull Trainer werden eben, wenn sie erfolgreich sind und das sind sie ja aufgrund der Möglichkeiten, regelmäßig von teureren Ligen weggeholt.
Glaube nicht dass das irgendwelche sportliche oder Philosophie Gründe hat.
Ich kenne mich im österreichischen Fußball wenig aus, aber es ist nicht so, dass Red Bull Talente auf einem völlig anderen Niveau verpflichten kann als die Konkurrez, ist das Alleinstellungsmerkmal nicht eher finanziell? und klar, sie wissen dann schon auch wie sie es einsetzen müssen.
Red Bull ist für mich eben das Beispiel, dass sich eine Mannschaft nicht “finden” muss, wenn die Automatismen verinnerlicht sind. Da ist es völlig egal ob x, y oder z spielen, weil jeder genau weiß, was er zu tun hat. System > Spieler.
Es gibt keinen Spieler bei Red Bull, der nicht zu dieser Entwicklung passt. So einer wird erst gar nicht geholt. Die Fluktuation in der Startelf sind achtstellige Transfers in alle Welt.
Das hängt natürlich *auch* mit dem finanziellen Alleinstellungsmerkmal zusammen, niemand in Österreich kann sich Talente in diesen Sphären leisten, nur wird die Leistung ja nicht nur national sondern auch international bestätigt. Und da schwimmen ähnlich große Fische und deutlich größere Fische. Der Fußballkonzern Red Bull funktioniert (leider?) ausgezeichnet.
Klar werden heutzutage Spieler verlangt auf hohem Niveau, die mehrere Positionen spielen können. Nagelsmann wird gar nicht müde das gebetsmühlenartig zu wiederholen auf die Frage Sane links oder rechts oder Kimmich außen oder in der Mitte, alles müssen sie drauf haben!
Dennoch du hast doch auch Fußball gespielt, es hilft schon sehr viel wenn dir dein Nebenspieler schon zig mal auf den Sack gegangen ist 🙂 und du blind weißt was er macht wie er läuft und wie schnell er das tut.
Für mich ein klassisches Beispiel Kimmich / Goretzka im Mittelfeld bei der Nationalmannschaft sieht man jetzt unter Flick wieder was blindes Verständnis bringt, aber Löw war es ja zu trivial ganz simple auf eine eingespielte Bayern Achse zu setzen, Löw wollte es lieber anspruchsvoller komplizierter, ich bin sicher da hätte die Nationalmannschaft bei der EM auch besser ausgesehen.