Zu tief gestanden – Analyse zu #FCNSVW #FCN
Analyse zu 1. FC Nürnberg – SV Werder Bremen 1:2 (1:0) – Der Club verliert trotz Halbzeitführung gegen Werder Bremen, weil er nach der Pause das Fußballspielen fast völlig aufgab.
1. Personal und Grundordnung
2. Daten und Fakten
3. Die kurze Einzelkritik
4. Fazit und Stimmen
5. Statistik
6. Der Notenvergleich
1. Personal und Grundordnung
Der Club begann mit einer Veränderung im Vergleich zum Spiel in Darmstadt. Erik Shuranov begann anstelle von Manuel Schäffler. Das hieß, dass auch Asger Sörensen wieder mit von der Partie war, obwohl er am Böllenfalltor einen Jochbeinbruch erlitten hatte. Der Däne spielte mit Schutzmaske. Im Kader war erstmals seit dem Spiel in Regensburg wieder Noel Knothe, der einen in Darmstadt noch leeren Kaderplatz übernahm, für den angeschlagenen Konstantin Rausch kam Tom Krauß nach überstandener Gehirnerschütterung zurück ins Aufgebot.
Werder begann sofort druckvoll, hatte nach zehn Minuten durch Ducksch bereits die erste gute Chance. Ducksch tauchte nach Doppelpass mit Füllkrug vor dem Tor von Mathenia auf und scheiterte am Clubkeeper. Fünf Minuten später rettete Mathenia gegen einen Schuss von Mbom. Werder war in dieser Phase deutlich überlegen, schnürte den Club ein. Der hatte bis dahin gar keine Befreiungsaktionen gesehen.
Doch er traf mit seiner allerersten Offensivaktion. Valentini, Möller Daehli und Duman kombinierten auf der rechten Seite. Duman kam bis auf die Grundlinie, wackelte Jung ins Aus und flankte butterweich an den langen Pfosten. Da stand Dovedan völlig frei, der aus kurzer Distanz völlig ins leere Tor köpfen konnte. Das Tor war wie ein Wachmacher für den FCN, der direkt danach eine weitere Großchance durch Möller Daehlis Abschluss nach einem Dribbling und Shuranovs Nachschuss hatte.
Diese Phase, in welcher der Club sowas wie Kontrolle hatte, dauerte bis kurz vor Ende der Halbzeit, dann kam Werder durch Schmid zu einer Schusschance, kurz danach klärte Valentini akrobatisch vor Füllkrug zur Ecke. Es war ein Vorgeschmack auf die zweite Halbzeit. In der Pause wechselte Robert Klauß den verwarnten Taylan Duman aus, brachte Tom Krauß. Anstelle von Erik Shuranov kam Lukas Schleimer. Schleimer sollte mit mehr Tempo für Entlastung sorgen.
Der Clubtrainerschien schon damit gerechnet zu haben, dass seine Mannschaft nun tiefer stehen würde, aber erhoffte sich so auch mehr Platz zum Kontern. Was folgte war aber kein reiner tiefer Block, sondern ein fast panisches Verbarrikadieren im eigenen Strafraum und ein Festival der postwendenden Ballverluste. Schmid und Ducksch hatten in den ersten zehn Minuten nach der Pause schon erste Gelegenheiten. Der Club beschränkte sich immer mehr aufs Verteidigen.
Konter konnte Nürnberg fast gar nicht setzen, zu schnell war die Kugel wieder beim Gegner, zu oft schlug man den Ball panisch raus, zu selten kontrollierte man den Ball. Trotzdem hatte der Club eine gute Kontergelegenheit über Schleimer und Valentini, doch der Kapitän schoss am Tor vorbei. Bremen dagegen hatte eine Vielzahl an Möglichkeiten, unter anderem setzte Ducksch einen Freistoß an den Pfosten und Mbom einen abgefälschten Schuss übers Tor.
Klauß wechselte auch noch Nikola Dovedan aus, brachte Fabian Nürnberger und stellte auf eine Art 4-4-1-1 um. Der Club blieb aber passiv und kassierte dann zehn Minuten vor Schluss den Ausgleich durch Füllkrug, der eine Halbfeldflanke von Friedl ins Tor köpfte. Nach einer Chance für den Club durch Schleimer, dessen Fernschuss neben den Kasten ging, blieb Werder am Drücker und spielbestimmend. Ducksch scheiterte zweimal an Mathenia, ehe Bittencourt dann freistehend, nachdem ein Schuss von Veljkovic noch von Valentini geblockt worden war, zum verdienten 2:1 treffen konnte.
Grafik A: Startelf FCN Grafik B: Realtaktische Aufstellung Nürnberg Grafik C: Realtaktische Aufstellung Bremen
2. Daten und Fakten
Ein Blick in die Ballbesitzphasen zeigt die Krux des Spiels beim FCN. Der Club war 103-mal am Ball in Ballbesitzphasen aus dem Spiel heraus, Werder 97-mal. Doch 77 dieser Ballbesitzphasen beim Club endeten binnen zehn Sekunden, bei Werder waren es nur 46. Werder kam dagegen am Ende auf 21 Ballbesitzphasen, die zwischen 20 und 45 Sekunden dauerten, der Club auf deren sechs. Der Ball war zu schnell weg beim FCN, das lag auch dran, dass er 80 lange Pässe schlug, von denen nur 29 zum Mann kamen. Es fehlte die Ruhe am Ball
Grafik 1 stellt die Ballverluste dar. Hier ist zum einen auffällig, wie oft beim FCN – vor allem, aber nicht nur in der zweiten Halbzeit – der Ball als Folge eines langen Passes verloren wird. Die Zahl der Ballverluste war so hoch wie seit Januar 2018 (2:2 gegen Regensburg) nicht mehr: 150-mal verlor der Club den Ball, der Durchschnitt bislang in der Saison lag bei 110. Der Ball war zu schnell wieder weg und viele der Ballverluste führten – siehe gelbe Linien auf der Grafik auch noch zu Torschüssen des Gegners. Besonders eklatant ist dann der Vergleich mit Werder. Deren Ballverluste spielten sich fast überhaupt nicht im eigenen Verteidigungsdrittel ab und führten nur einmal zu Abschlüssen.
Grafik 2 sind wieder einmal die Viertelstundengrafiken. Hier sieht man zum einen sehr anschaulich visualisiert, wie viel tiefer der FCN stand. Teilweise zog der die Formationslinie, also die erste Angriffslinie gegen den Ball erst 36 Meter vor dem eigenen Tor. Man ließ sich enorm tief fallen und hatte natürlich so auch einen weiten Weg zum Tor. Das zeigt sich dann auch an der Anzahl der Angriffe pro Minute. Hier war der Club in der Phase um sein eigenes Tor aktiv und hatte sogar mehr Angriffe als Werder, im restlichen Spiel aber war Werder deutlich aktiver. Ab dem 1:0 hatte Werder dann auch deutlich mehr Ballbesitz als der FCN und der Club packte – siehe auch Grafik 1 – die langen Bälle aus.
Grafik 3 zeigt die Aktionen von Tim Handwerker und Asger Sörensen nach Halbzeiten aufgeteilt. Wie immer bedeutet blauer Punkt eine erfolgreiche Aktion (Pass, Zweikampf, Schuss), ein schwarzes Kreuz eine nicht geglückte. Dabei ist gar nicht entscheidend, dass die Anzahl insgesamt nach der Pause geringer war. Vielmehr zeigt die Karte die Orte, an denen die Aktionen versucht wurden. Hier sieht man einmal mehr deutlich wieviel tiefer gerade die beiden Spieler auf der linken Abwehrseite nach der Pause agierten.
Grafik 1: Ballverluste beider Mannschaften Grafik 2: Statistische Parameter in Viertelstundenabschnitten Grafik 3: Aktionen von Handwerker udn Sörensen nach Halbzeiten
3. Die kurze Einzelkritik
- Christian Mathenia (CU-Note: 1-): Markus Anfang attestierte ihm das Spiel seines Lebens. Ohne Gegentore wäre es ein herausragend gewesen, so nur für unzählige Paraden ein „sehr gut“.
- Enrico Valentini (CU-Note: +3): Bester Nürnberger Feldspieler über die gesamte Spielzeit gesehen. Verteidigte umsichtig, rettete in höchster Not vor Ducksch, blockte vor dem 1:2 Veljkovic’ Schuss, hatte sogar noch eine Konterchance. Konnte aber am Ende eben nicht alles verhindern.
- Christopher Schindler (CU-Note: +3): Verteidigte sehr viel weg, immer wieder mit dem Kopf zur Stelle. Gegen die schiere Anzahl der Flanken und Angriffe am Ende aber auch machtlos.
- Asger Sørensen (CU-Note: 4): Beim 1:1 zu weit von Füllkrug weg, spürbar gehemmt in den Duellen durch seinen Jochbeinbruch. Dadurch weniger ins Spiel eingebunden.
- Tim Handwerker (CU-Note: 4): Lang nicht so energisch und emsig wie sein Gegenüber Valentini, teilweise arg weit weg von seinen Gegenspielern und im Stellungsspiel nicht immer souverän.
- Johannes Geis (CU-Note: 4): Verteidigte lange vieles gut weg, auch weil er immer wieder in die Kopfballduelle ging. Am Ende aber sehr fahrig und schlug viel zu viele lange Bälle.
- Manuel Schäffler (CU-Note: -): Kam nach dem 1:2 für Geis. Ohne Bewertung.
- Lino Tempelmann (CU-Note: 4): Immer wieder in der Defensive mit Grätschen und dem Suchen von Duellen, nach vorne aber fast gänzlich ohne Impulse, auch weil er teilweise überspielt wurde.
- Fabian Nürnberger (CU-Note: -): Kam in der Schlussviertelstunde für Dovedan. Ohne Bewertung.
- Taylan Duman (CU-Note: 3): Wunderbare Vorlage zum 1:0, nicht immer völlig präzise in den Abspielen. Zur Pause ausgewechselt, wohl auch da gelbvorbelastet.
- Tom Krauß (CU-Note: 4): Kam zur Pause für Duman. War zwar immer wieder um Dynamik bemüht, kam aber nicht so recht ins Spiel und kontrollierte zu wenig.
- Mats Møller Dæhli (CU-Note: 3): Vor der Pause grandios, dynamsich, kreativ. Danach immer noch fleißig, aber gänzlich ineffektiv.
- Nikola Dovedan (CU-Note: 3): Arbeitete viel, erzielte ein Tor. Hing im Laufe des Spiels immer mehr in der Luft. Er ging, die Bremer Tore fielen.
- Erik Shuranov (CU-Note: +5): Gänzlich abgemeldet, fast komplett ohne Bindung zum Spiel, zur Pause raus.
- Lukas Schleimer (CU-Note: 4): Leitete Valentinis Chance ein, hatte selbst einen guten Fernschuss und einen Lupfer neben das Tor aus Abseitsposition. Im Spiel immer wieder mit Entscheidungsfehlern.

4. Fazit und Stimmen
In dem, was passiert war, da waren sich alle Gefragten beim FCN einig. „Wir haben es aber über die kompletten 90 Minuten nicht geschafft, den Ball besser in unseren Reihen zu halten und haben ihn zu schnell weggegeben,“ erklärte Christian Mathenia. Christopher Schindler legte nach: „Für ein Heimspiel war das viel zu passiv und einfach nicht gut genug. So wie wir es gemacht haben, war das eigentlich abzusehen. Wir sind immer tiefer geworden und standen eigentlich schon in der ersten Halbzeit zu tief.“
„Man kann dann nicht alles verteidigen, deswegen wäre es ein Mittel gegen Werder, selbst am Ball zu sein, in der zweiten Halbzeit hatten wir aber keine Spielkontrolle mehr,“ meinte der Trainer. Man wusste schnell, was man falsch gemacht hatte. Gleichzeitig kam aus den Statements der Beteiligten schnell heraus, dass man es sich anders vorgenommen hatte. Mehr Ballkontrolle, mehr Kurzpassspiel. Aber warum man sich damit so schwergetan hatte, das konnte dann keiner so recht erklären. Robert Klauß verneinte eine Frage nach ausstehenden Lernprozessen und gegnerischer Wucht als Erklärung zumindest nicht.
So geht der Club nun also mit zwei Niederlagen in die Länderspielpause, in der die Akkus nun aufgeladen werden können und in Ruhe für Analysen verwendet werden, wie Mathenia erklärt. Der Keeper mahnte auch zur Ruhe. „Wir bleiben jetzt ruhig und werden in Ruhe analysieren, was wir besser machen müssen.“ Anlass für Fehleranalysen boten die beiden letzten Spiele zur Genüge, Robert Klauß nahm – trotz der zwei Gegentore – auch besonders die Spieler vor der Abwehrkette in die Pflicht.
Ein wenig kann man nach den vielen Spielen mit günstigem Spielverlauf während der Erfolgsserie natürlich auch die Regression zur Mitte bemühen. Zuvor viel Glück in den entscheidenden Situationen, jetzt ein wenig Pech genau da. Womöglich wäre zu Saisonbeginn Dumans Chance direkt nach dem 1:0 ins Tor und nicht gegen Jungs Hacke oder Füllkrugs Kopfball gegen den Pfosten. Beides ist aber nicht passiert und so verlor der Club eben verdientermaßen, weil es so tief stand und so passiv war. Obwohl er es sich nicht erklären kann.
Nun folgen zwei Wochen Pause, an deren Ende steht eine Reise zum Tabellensechzehnten SV Sandhausen, der an diesem Wochenende schon spielfrei ist, da sein Spiel gegen den FC St. Pauli wegen zwölf positiven Coronatests in der Mannschaft abgesagt wurde.
5. Die Kennzahlen
Nürnberg | Bremen | |
1 | Tore | 2 |
1,08 | expected Goals | 2,30 |
0,50 | Post Shot xG | 3,51 |
1,08 | xG ohne Doppelchancen | 2,17 |
0,50 | PSxG ohne Doppelchancen | 3,51 |
8 | Schüsse | 16 |
1 | Schüsse aufs Tor | 8 |
2 | Ecken | 9 |
0 | Freistöße | 5 |
42 | Ballbesitz zeitbasiert (in %) | 58 |
48,5 | Ballbesitz passbasiert (in %) | 51,5 |
75 | Passquote (in %) | 81 |
12 | Fouls | 11 |
15,6 | PPDA (gegnerische Pässe pro eigene Defensivaktion) | 11,8 |
6,5 | Challenge Intensity (Defensivaktionen pro Minute gegnerischen Ballbesitzes) | 8,6 |
20,7 | Spieltempo (Pässe pro Minute Ballbesitz) | 15,6 |
11 | Ballbesitzphasen (geg. Strafraum) | 23 |
00:10 | Ballbesitzdauer (Ø) | 00:14 |
*Alle Daten stammen von Wyscout. Benutzung der Daten von Wyscout unter der Journalistenlizenz des Anbieters.Die Terminologie von Wyscout wird in diesem Glossar erläutert.
6. Die Notenübersicht
Spieler | CU-Note | Kicker | nordbayern.de | BILD | WhoScored | SofaScore |
---|---|---|---|---|---|---|
Christian Mathenia | 1- | 1 | 1,5 | 2 | 7,4/10 | 7,5/10 |
Enrico Valentini | +3 | 3 | 3 | 4 | 6,8/10 | 6,8/10 |
Christopher Schindler | +3 | 3 | 2,5 | 3 | 7,4/10 | 7,1/10 |
Asger Sørensen | 4 | 3,5 | 4 | 4 | 6,6/10 |
6,9/10 |
Tim Handwerker | 4 | 4 | 4 | 4 | 6,1/10 | 6,3/10 |
Johannes Geis | 4 | 4 | 3 | 4 | 6,9/10 | 6,6/10 |
Lino Tempelmann | 4 | 4 | 3,5 | 4 | 6,7/10 | 6,6/10 |
Taylan Duman | 3 | 3,5 | 3 | 3 | 7,4/10 | 6,9/10 |
Mats Møller Dæhli | 3 | 3,5 | 2 | 3 | 7,1/10 | 6,7/10 |
Manuel Schäffler | – | – | – | – | 6,0/10 | -/10 |
Nikola Dovedan | 3 | 3,5 | 3 | 3 | 6,9/10 | 6,7/10 |
Fabian Nürnberger | – | – | – | – | 5,9/10 | 6,3/10 |
Erik Shuranov | +5 | 5 | 4,5 | 5 | 6,3/10 | 6,4/10 |
Tom Krauß | 4 | 4 | 3,5 | 4 | 5,9/10 | 6,1/10 |
Lukas Schleimer | 4 | 3 | 4 | 3 | 6,0/10 | 6,5/10 |
– | – | – | – | -/10 | -/10 | |
Durchschnitt | 3,46 | 3,46 | 3,19 | 3,53 | 6,62 | 6,53 |
Mal eine vielleicht saudumme Frage:
1. FCN : Werder Bremen – Zuschauer 25:000 “ausverkauft” (obwohl max 50.000)
Baiern : SC Fallburg Zuschauer 75:000 ausverkauft (max. 75.000)
Warum?
Das hat mich auch beschäftigt. Und hat wohl was mit 3G und 3G-Plus zu tun. So meine Erklärung.
“Der FC Bayern ist einer der Clubs mit einem 3G-Plus-Konzept. Dabei müssen Fans, die weder geimpft noch genesen sind, einen negativen PCR-Test vorlegen. Dafür entfallen dann Maskenpflicht, Obergrenzen bei der Personenzahl, Alkoholverbot und Mindestabstandsgebot.”
Quelle:
https://www.sportschau.de/fussball/bundesliga/bundesliga-corona-regelung-100.html
Unser Club hat wohl 3G-Plus für das Werder-Heimspiel angedacht, aber ist wohl dann – möglicherweise in Abstimmung mit dem örtlichen Gesundheitsamt – bei 3G geblieben.
https://www.nordbayern.de/sport/1-fc-nuernberg/der-club-bleibt-zuruckhaltend-und-plant-mit-3g-plus-1.11416732
Genau. Die gesetzliche Regelung ist (oder war bis heute? Überblick zu behalten ist nicht so ganz einfach), dass bei 2G/3G+ die Obergrenzen für Zuschauerauslastung aufgehoben sind, bei 3G aber nicht.