Retrolook
Es war ein Arbeitssieg – glanzlos und nüchtern. Und Nüchternheit ist wohl nicht das schlechteste Mittel, um eine Mannschaft, die sich nach einem den äußeren und inneren Erwartungen nicht entsprechenden Saisonstart neu (er)finden muss, wieder in die Spur (und dann vielleicht Schritt für Schritt zu ein bisschen Glanz) zu bringen. Nüchterne Arbeitssiege sind gut fürs Selbstvertrauen einer gebeutelten Mannschaft und mit dem Selbstvertrauen kommt dann auch mehr…
…Souveränität.
Davon hätte man sich in diesem Pokalspiel gegen einen Drittligaverein noch ein bisschen mehr erwartet. Dass die Waldhöfer nach dem Führungstreffer des Clubs eine hundertprozentige Torchance vergaben und nicht postwendend zum Ausgleich kamen, war pures Glück.
Schläfrigkeit nach Torerfolg ist…
…unsouverän und unsouverän war auch das Verhalten von Tempelmann, der kurz vor dem Abpfiff das 2:0 versimpelte, weil er selbst den Abschluss suchte, statt den Ball zu einem besser postierten Mitspieler zu spielen.
Dass das spielentscheidende 1:0 ein Eigentor war, passt ins Bild eines unprätentiösen Arbeitssiegs. Dazu passt aber auch, dass dieses Tor sachlich-nüchtern erzwungen war: Castrop schickte nach einem abgefangenen Ball Duah auf dem linken Flügel auf die Reise, der zog an der Grundlinie entlang nach innen, wo Daferner und MMD lauerten, aber nicht in Aktion treten mussten, weil ihnen ein Waldhöfer beim Versuch zu retten, was nicht mehr zu retten war, zuvorkam.
Als Fazit ist dem, was Alexander in seinem Spielbericht schreibt, zuzustimmen (klick):
Bis auf ein bis zwei Wackler stand der Club sicher und arbeitete geschlossen gegen Ball und Gegner.
Was vielleicht auch damit zu tun hatte, dass der Club im Defensivverbund tatsächlich nicht mit Viererkette agierte. Der beim 1:0-Sieg des Clubs in Düsseldorf etwas orientierungslose und nun neu justierte Seismograph (klick) registrierte nach Ausschluss neuzeitlicher Errungenschaften wie “asymmetrischer Außenverteidiger” und “fluides 4-2-2-2/5-3-2” diesmal ein geradezu klassisches 3-3-2-2, in dem das Verteidigungstrio bei Angriffen des Gegners durch die Außenbahnspieler zu einer Fünferkette ergänzt wurde:
MATHENIA
GYAMERAH SCHINDLER LAWRENCE
CASTROP GEIS WEKESSER
TEMPELMANN MMD
DUAH WINTZHEIMER
Abgesehen davon, dass der zentrale Verteidiger kein Libero mehr ist und seine Assistenten nicht mehr als Mann-, sondern als Raumdecker fungieren, war dieses System im ausgehenden 20. Jahrhundert gewissermaßen Standard; z.B. (klick):
KÖPKE
TH. BRUNNER ZIETSCH FRIEDMANN
DITTWAR DORFNER M. WAGNER
OECHLER GOLKE
ZARATE WÜCK
Ob der neue Club-Trainer Weinzierl das etwas aus der Mode gekommene 3-3-2-2 zum neuen Standardformat auserkoren hat und – falls ja – welche Erfolge unsere Mannschaft in diesem taktischen Retrolook erzielt, wird man sehen. Zum Einzug ins Achtelfinale des DFB-Pokals hat es jedenfalls schon mal gereicht.
Jetzt im Retro-Stil einfach immer weiter 1:0 gewinnen, wie damals unter Magath.
…dazu passt ja dann auch Go(h)lke als Siegtorschütze!
Und, Dingert sei Dank, wurde der nicht schon vor der Halbzeit zum Duschen geschickt.
Das ist wie Final Destination.
Nachdem der von Gohlke verschuldete Elfmeter nicht gegeben wurde, hatte er beim Schicksal noch Schulden und musste dann das Tor eben selbst schießen.
Amüsant, das Karma 😉
Mit der Einladung zur JHV wurde die heiße PR-Phase für die Satzungs-Änderung “Gründung von Gesellschaften” eröffnet. Bin gespannt, ob und wie intensiv Rossow und Co für dieses wichtige Anliegen um Vertrauen werben in den kommenden Wochen. Auch wenn der Antrag nur knapp scheiterte letztes Mal – ein Selbstläufer wird das nicht auf einer Präsenz-JHV.
Ich bin nicht firm im Gesellschafts-Recht und per se auch skeptisch gegenüber einer Ausgliederung. Aber dass “eine Ausgliederung der Lizenzspielerabteilung in eine eigene Gesellschaft weiterhin nur mit Zustimmung der Mitgliederversammlung mit Dreiviertelmehrheit möglich wäre”, verstehe sogar ich.
Der SC Freiburg ist ein e.V. wie unser Club. Geht also auch ohne einen Scheich, wenn man gut und kontinuierlich arbeitet. Doch anscheinend haben die Mitglieder schon vor Jahren grünes Licht gegeben für die Gründung einer Tochtergesellschaft. Denn zusammen mit badenova gründete man im Jahr 2004 die Gesellschaft “regiosonne”.
Union Berlin ist ein e.V. wie unser Club. Geht also auch ohne Windhorst, wenn man gut und kontinuierlich arbeitet. Doch anscheinend haben die Mitglieder grünes Licht gegeben für die Gründung von Tochtergesellschaften, denn davon hat Union mittlerweile einige.
https://www.textilvergehen.de/2016/11/30/das-bedeutet-die-umstrukturierung-beim-1-fc-union/
Wie gesagt: Gesellschafts-Recht ist nicht mein Ding. Aber dass man mit der Gründung einer Tochtergesellschaft auch die Haftung ausgliedert und damit das Vereinsvermögen schützt, leuchtet mir ein. Ebenso dass kleinere, dezentrale “Business Units” effektiver und autonomer agieren können.
Was aber ist mit Anteilsverkaufen? An wen? Wieviel? Für was? Wen holt sich die Tochter da womöglich ins Haus? Das dürfte viele diesbezüglich beschäftigen – unter anderem auch mich. Vielleicht kann Rossow derartige Fragen ja klären bei Redaktions-Besuchen. Bin gespannt, ob und was da die Medien berichten in den kommenden Wochen.
Generell aber wünsche ich Niels Rossow viel Erfolg.