Wacholderbeere

“Valentini wird eingewechselt und mit seiner ersten Aktion köpft er den Ball einem Rostocker direkt vor die Füße”, dachte ich und schluckte einen Bissen Schweinebraten hinunter. “Und dieses Arschloch trifft den Ball dann so, wie er ihn…”

“Hier ist doch sicher…”

“…nur einmal in seinem Leben trifft.”

“…noch ein Platz frei?”, sagte jemand.

Ich drehte mich zur Seite und sah auf.

“Sicher”, sagte ich und Dr. H. (klick) platzierte ein Tablett mit einer Schale Salat und einem Glas Wasser neben meinem Tablett auf dem Tisch.

“Sie haben doch sicher das Clubspiel gestern gesehen?”, fragte Dr. H. und begann mit der Mahlzeit.

“Sicher.”

“Kurz vor Schluss ein Sonntagsschuss des Gegners und aus ist es mit den dringend benötigten drei Punkten. So läuft’s wenn man unten drinsteht.”

“So läuft’s, wenn man nur hinten drinsteht und unfähig ist, mit Kontern für Entlastung, geschweige denn für das 2:0 zu sorgen”, erwiderte ich und schob eine Gabel voll Blaukraut in den Mund…

“Blöd gelaufen.”

…und irgendetwas knackte und ein stechend bitterer Geschmack machte sich auf meiner Zunge breit. “Pfui Deibel”, ächzte ich und ergriff die Serviette und spuckte hinein.

“Wacholderbeere”, sagte Dr. H. “Wenn man da draufbeißt, kann es einem die ganze Mahlzeit verderben.”

Ich knüllte die Serviette zusammen, legte das Knäuel auf mein Tablett und nahm einen Schluck Cola.

“Flick hat heute sein WM-Aufgebot bekanntgegeben.”

Ich nahm noch einen Schluck und gurgelte kräftig.

“Gosens nicht dabei, aber Füllkrug. Wer hätte das gedacht. Füllkrug bei einer WM.”

“Ja.”

Auf dem Weg von der Kantine zum Institut sagte Dr H.: “Das erste Spiel gegen Japan ist entscheidend. Da müssen drei Punkte her. Gegen Spanien wird wahrscheinlich verloren, aber mit einem Sieg gegen Costa Rica sichert man sich den zweiten Platz.”

Ich zog an der Blend 29 und blies den Rauch aus.

“Aber dann ist wahrscheinlich Schluss. Der Zweite unserer Gruppe trifft im Achtelfinale auf den Ersten der Frankreich-Gruppe und das ist mit Sicherheit Frankreich.”

“Sicher.”

Als wir am Gang, auf dem unsere Büros liegen, angekommen waren, sagte Dr. H.: “War ein toller Schuss. Kann man nicht anders sagen. Ein toller Schuss! Neutral gesehen, objektiv gesehen – und wir Wissenschaftler sind ja qua Berufsethos zu einem objektivem Blick auf die Dinge verpflichtet – war das ein grandioses Tor. Ein zauberhaftes Tor. Ein die Schönheit des Fußballs prachtvoll dokumentierendes Tor.”

“Auf Wiedersehen”, sagte ich. “Ich habe zu arbeiten.”

Eine Viertelstunde später, klopfte es an der Tür meines Arbeitszimmers.

“Herein!”

In der Tür erschien Dr. H.

“Sie wünschen?”

“Verzeihen Sie die Störung, aber…”

“Aber was?”

“Geht es Ihnen heute nicht gut?”

“Warum?”

“Sie waren heute so, äh  – wie soll ich sagen? – äh, so einsilbig.”

“Wacholderbeere. Ich habe den beizenden Geschmack noch immer auf der Zunge. Ich krieg’ ihn nicht los.”

“Verstehe. So eine Wacholderbeere – wie ich schon sagte: Wenn man auf eine Wacholderbeere beißt, das kann einem…”

“Übrigens: Ein Achtelfinale Deutschland gegen Frankreich ist nicht möglich.”

“Ach so?”

“Achtelfinalkandidaten sind – wären – Belgien oder Kroatien. Oder – weniger wahrscheinlich – Marokko oder Kanada.”

“Woher wissen Sie das?”

“Google”, sagte ich.

“Ich dachte, Sie haben zu arbeiten”, sagte Dr. H.

[Zum Spiel: klick, klick, klick.]

10 Gedanken zu „Wacholderbeere

  • 12.11.2022 um 09:27 Uhr
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    Der Sonntagsschuss als Wacholderbeere für Clubfans. Verdirbt auch Tage später noch den Gedanken an das Spiel. Freude über das Unentschieden zu empfinden, da weigere ich mich weiterhin. Obwohl es tatsächlich ein glücklich gewonnener Punkt war.

    Bleibt wieder eimmal eine typische Club-Frage: wieso ist der Club seit einigen Jahren so häufig Ziel für besonders schöne und spektakuläre Gegentore? Tore, die immer wieder in der Auswahl der ARD zum Tor des Monats landen oder gar gewinnen (#Bartels). Nur an mangelndem Defensivverhalten kann das nicht liegen. (Wir brauchen die Rückkehr der Clubhexe!)

  • 12.11.2022 um 12:50 Uhr
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    Gegen den Club werden die schönsten Tore geschossen, erinnere mich auch noch gut an Zalazars 60m Treffer letzte Saison, der ohne den Boden vorher zu berühren ins FCN Netz fiel. Das ist leider so die Club DNA der letzten Jahre, strauchelnde Alt-Trainer beim Gegner stabilisieren wir, neu gekommene Trainer beim Gegner bereiten wir ein Willkommensfest. Für die schönsten Tore stehen wir auch gerne als Statisten zur Verfügung.
    Leider gehört auch dazu Hinrundenabschluss mit Heimspiel + Sondertrikot. Fühle ich. Das kann nur schief gehen morgen. Das Trikot soll ja eine “Weiße Leinwand” sein mit dem Wort Mensch, hoffentlich bleibt morgen unsere Toranzeige keine weiße Leinwand. *Hoffe*

  • 12.11.2022 um 14:11 Uhr
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    Und Schleusener trifft zum 7. Saisontor.

    Stürmer treffen vor uns und nach uns. Niemals bei uns.

  • 12.11.2022 um 15:15 Uhr
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    Ein amüsanter Beitrag

  • 12.11.2022 um 15:28 Uhr
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    Morgen wird es gegen Paderborn nochmal eine richtige Packung geben zum Abschluss

  • 12.11.2022 um 16:18 Uhr
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    Spärlich gefüllte Ränge im Kraichgau. Da schenkt Herr Hopp der Region einen Bundesligisten. Und die Region geht nicht hin. Das ist ein Stück weit undankbar. 😉

    • 12.11.2022 um 18:08 Uhr
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      Und vor allem Verschwendung eines Erstligastartplatzes.

      Das Verschwinden von Hoppenheim würde die Attraktivität der Liga steigern.

  • 12.11.2022 um 18:22 Uhr
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    Meine kicker-App kackt andauernd ab. So kann man doch nicht leben, horch amol!

    • 12.11.2022 um 18:38 Uhr
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      Bei mir auch. Muss folglich am Kicker liegen.

      • 13.11.2022 um 09:01 Uhr
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        Die haben bzw. hatten irgewelche Probleme, ging man ohne App auf Kicker.de kam entweder error 404 oder “keine sichere Verbindung”.

        Vielleicht ein hacker-Angriff auf unsere kritische Infrastruktur?

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